: Christian Füller über das Online-Portal der Stiftung Bildungstest
Wissensgesellschaft online eingepflanzt
Das Online-Portal der Stiftung Bildungstest steht erstmals auf Platz eines der Heise-Klickrangliste und hat damit den Spiegel in der Usergunst überrundet. Erstmals in diesem April 2029 interessieren sich damit mehr Menschen für lebenslanges Lernen als für das Politainment aus der Hamburger Brandstwiete. Vor einem Vierteljahrhundert wäre das undenkbar gewesen. Die Bildungstester vom Berliner Lützowplatz, die inzwischen zig weitere Dependancen im Europa und im Ausland dazubekommen haben, begannen damals mit ersten systematischen Qualitätschecks in der Weiterbildung – und kaum einer nahm damals Notiz davon.
Das Überholmanöver der Bildungstester markiert nicht allein einen Switch im Verhältnis von Qualifikation und politisch gefärbter Unterhaltung. Es demonstriert vor allem den fundamentalen Wandel, der sich zwischen Arbeit und – im weitesten Sinne – Entwicklung zugetragen hat.
Der permanente Lerner
Zur Jahrtausendwende wurde, obwohl der Begriff „lebenslanges Lernen“ damals schon in aller Munde war, regelmäßiges Fort- und Zusatzqualifizieren als notwendiges Übel begriffen. Es fiel damals schwer, sich von den Modi der alten Industriegesellschaft zu lösen. Der Arbeitsplatz galt, wiewohl er es in der Praxis längst nicht mehr war, als eine zeitlich und örtlich konstante Größe. Mitarbeiter waren oft nur mühsam dazu zu bewegen, ihren Arbeitsplatz für einige Wochen oder Monate zu verlassen – um ihre Kompetenzen nachzujustieren.
In der Wissensgesellschaft, die heute im Begriff ist, von der bioinformatorischen oder der Nanogesellschaft abgelöst zu werden, hat sich das Verhältnis Zug um Zug umgekehrt. Die Wissensarbeiter von heute verbringen unter dem Strich mehr Zeit mit der Erweiterung ihres Know-hows als mit ihrer eigentlichen Tätigkeit. Der permanente Lerner hat Vorrang vor dem Schaffer oder Macher. Denn die Fortentwicklung und die Verschmelzung von Biogenetik und Computertechnologie ist so rasant, dass es überhaupt nicht mehr auf jene ankommt, die den praktischen Handgriff vornehmen, das heißt: die Chips oder Mikroroboter in Blutbahnen und Gewebe implantieren. Der Chirurg wird in den nächsten Jahrzehnten so sicher aussterben, wie es der Fließbandarbeiter um die Wende ins dritte Jahrtausend vor ihm tat.
Die entscheidende Größe heute ist die Intelligenz des Bauteils, das in den Menschen eingepflanzt wird – also um Kreativität, Kompetenz und Kooperationsfähigkeit ganzer Gruppen von Wissensarbeitern. Körper aufzuschneiden und wieder zu verschließen, wie es Chirurgen tun, ist eine Frage von Minuten. Aber es sind eben nicht mehr Silikonkissen, die zur Brustvergrößerung implantiert werden, sondern intelligente Implantate, die den Körper des Menschen erweitern. Um das zu bewältigen, bedarf es einer ungeheuren Rechnerleistung – und eines gigantischen Wissens über die DNA, damit das Körper-Update so zukunftsfähig wie nur irgend möglich zu machen ist.
Diese Prozesse zu kombinieren und zu organisieren vermag aber nach wie vor nur der Mensch – denn um die kritische Masse an Information zu generieren, die den Umschlag in Qualität ermöglicht, braucht es so viele wie exzellente Erkenntnislabore.
Als die Stiftung Bildungstest gegründet wurde, ging es darum, ein großes, aber extrem heterogenes Angebot an Lehrveranstaltungen zu sichten und exemplarisch zu prüfen. Mit dem Ziel, den Markt für den zögerlichen Kunden transparenter zu machen. Heute stehen die Keimzellen der Bioindustrie, die Erkenntnislabore, in Co-opetition zueinander – das heißt, sie konkurrieren und kooperieren gleichzeitig. Für die Wissensarbeiter in den Laboren heißt das: Sie müssen mit ihren Qualifikationen und Kompetenzen ständig die nächsten Bewegungen des Marktes antizipieren. Nur dann können sie die richtigen Wissensmodule kombinieren – und den besten Preis und die besten Arbeitsbedingungen für sich herausschlagen.
Die Hi-Potentialisten
Das macht das Online-Magazin so essenziell, weil es schnell und grenzüberschreitend die besten Weiterbildungsprogramme der – in aller Regel – Universitäten kritisch listet. Und es ist zu einem Massenmedium geworden, denn die Rate der Hochqualifizierten reicht mittlerweile an die 60 Prozent heran. Auch das ist kaum zu glauben. Zur gleichen Zeit, da die Urmutter der mittlerweile milliardenschweren Stiftung Bildungstest ins Leben gerufen wurde, gab es Politiker, die es ablehnten, die wissensbasierten Ressorts zu stärken. Eine Akademikerquote von 40 Prozent wurde damals als übertrieben und unbezahlbar angesehen. Der Topbegriff unserer Tage, der Hi-Potential, galt als neudeutscher Übergangsterminus.