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Archiv-Artikel

Konzerne sollen UN-Friedensprozessen helfen

UN-Sicherheitsrat diskutiert auf deutsche Initiative Rolle der Wirtschaft bei Krieg und Frieden. Stargast: Siemens

BERLIN taz ■ Die deutsche UN-Sicherheitsratspräsidentschaft hat am Donnerstag einen eigenwilligen Akzent gesetzt: In einer ausführlichen Debatte unter anderem mit Siemens-Chef Heinrich von Pierer diskutierte das Gremium am Donnerstag über die Rolle der Privatwirtschaft bei Konflikten und Friedensprozessen. UN-Generalsekretär Kofi Annan eröffnete die Debatte mit einem Dank an die Bundesregierung und sagte: „Private Unternehmen produzieren und verkaufen die Mittel zur Konfliktführung – Panzer und Kleinwaffen, Landminen und sogar Macheten. Private Unternehmen und Privatpersonen sind an Ausbeutung von und Handel mit einträglichen natürlichen Ressourcen beteiligt, wie Öl, Diamanten, Drogen, Holz und Coltan.“ Selten zuvor ist von so hochrangiger Stelle an einem so prestigeträchtigen Ort eine so fundamentale Kritik an kriegsförderndem Geschäftsgebaren erhoben worden.

Zugleich, so Annan weiter, hätten Geschäftsleute in Konfliktgebieten ein großes Interesse an der Suche nach Lösungen und müssten sich daher aus eigener Initiative an Friedensprozessen beteiligen. Er habe eine UN-Arbeitsgruppe zur „politischen Ökonomie von bewaffneten Konflikten“ eingesetzt. Bisherige Initiativen wie das international koordinierte Vorgehen gegen „Blutdiamanten“ oder die Überwachung von Wirtschaftssanktionen gegen Konfliktparteien seien nur „ein Anfang“, so der Generalsekretär: „Die Zeit ist reif, solche Ad-hoc-Anstrengungen in einen systematischeres Vorgehen zu verwandeln.“

Weltweit werden jährlich 900 Milliarden Dollar für Militär ausgegeben, aber nur 50 Milliarden für Entwicklung, kritisierte in der nachfolgenden Debatte Weltbankchef James Wolfensohn. Siemens-Chef Pierer, der auf die Wiederaufbauvorhaben seines Konzerns in Afghanistan und Irak hinwies, betonte die Rolle von Bildung bei der Überwindung von Konflikten und machte das Interesse der Wirtschaft an effektiven Friedensprozessen deutlich: Seit dem 11. September 2001 gebe es „keine sicheren Häfen mehr auf der Welt“.

Unternehmerische Verantwortung sei ein Schlüssel zur Konfliktlösung, erklärte der deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger; deshalb müssten Friedensprozesse sich mit Geschäftsrisiken auseinander setzen und die Schaffung von Rechtssicherheit und kompetenten Verwaltungen mit einbeziehen. Brasiliens UN-Botschafter Mota Sardenberg wies darauf hin, dass Privatinitiative niemals staatliches Handeln beim Aufbau politischer Ordnung ersetzen könne: „Geschäftsleute allein oder aus aufgeklärtem Eigeninteresse heraus werden nicht das ideale Umfeld für Frieden schaffen.“

Es wurde auch harte Kritik an den Großkonzernen der Welt laut. China verlangte einen aktiven Beitrag von Unternehmern zur Entwaffnung und Demobilisierung von Bürgerkriegskämpfern. Pakistan schlug eine Abgabe von 1 Prozent auf alle Nettoprofite der großen Unternehmen und Finanzhäuser der Welt zugunsten von Hilfe für die ärmsten Länder vor. Nach Ansicht Südafrikas sollten nicht internationale Investoren, sondern lokale Unternehmer in Kriegsgebieten Vorrang genießen. Altschulden von Regierungen bei einheimischen Unternehmen müssten beglichen werden, um Wirtschaftskreisläufe wieder in Gang zu setzen, und nur wenn der einheimische Privatsektor floriere, würden auch ausländische Investoren ein Land attraktiv finden. DOMINIC JOHNSON