: Cool bleiben und lässig altern
Wer heute 25 Jahre alt ist, tut gut daran, über das Altern freundlich zu denken. Als Rentner wird er unter Rentnern leben, sagt die neue Statistik
von BARBARA DRIBBUSCH
Vor einigen Jahren gab es eine kleine Umfrage unter RentnerInnen, wie sich denn so die Kontakte auf den Parkbänken gestalten. Die alten Männer beschwerten sich, sie würden von fremden Altersgenossinnen zu oft angesprochen. So viel Kontakt mit Rentnerinnen wollten sie nämlich gar nicht und überhaupt seien die alten Frauen doch nur hinter ihrem Geld her, mäkelten die Männer.
Über die Soziologie von Parkbänken kann man lächeln, aber wie sich die Beziehungen zwischen alten Menschen in einigen Jahrzehnten gestalten, das wird zum hochpolitischen Thema der Zukunft. Dann nämlich, wenn die heute 25-Jährigen längst im Rentenalter sind, wenn 2050 auf 100 Menschen im Erwerbsalter jeweils 55 RentnerInnen kommen, wenn die Bevölkerungszahl in Deutschland deutlich gesunken ist und manche Städte verödet sein werden.
Ein vorsichtiges Bild von dieser Gesellschaft kann man entwickeln, wenn man die Erkenntnisse über alte Menschen von heute in die Zukunft projiziert. „Auch wenn sich die Älteren in Zukunft noch jugendlicher und lebenszugewandter verhalten werden als die Älteren heute, wird sich der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel verlangsamen“, prophezeit der Sozialforscher Meinhard Miegel.
Stichwort Konsum: Der Konsum werde „in abnehmendem Maße“ sinnstiftend wirken, so Miegel. Wer heute 25 Jahre alt und der Bilderflut der Medien voll ausgesetzt ist, der ist in 40 Jahren werbemüde und wird als Rentner das neunte Revival der hüfthohen Schlaghose nicht mehr unbedingt in einen Kaufakt umsetzen. Allerdings werden viele Alte auch materiell am Existenzminimum herumkrepeln; Sozialforscher erwarten in Zukunft wieder mehr Altersarmut.
Stichwort Familie und Freundschaft: Aufgrund der niedrigen Geburtenrate werden viele Ältere künftig keine Kinder und auch keine Enkel haben. Aber es gibt einen Trend der über 50-Jährigen, „in gefestigten sozialen Netzen zu verharren“, so Miegel. Es heißt also, emotional vorzusorgen und einen FreundInnenkreis zu pflegen. Langzeitfreundschaften vermitteln ein Zugehörigkeitsgefühl und werden künftig hohen symbolischen Wert genießen. Die wichtigsten Freundschaften knüpft man in jüngeren Jahren – und tut gut daran, sie während der stressigen Erwerbsphase im Leben nicht einschlafen zu lassen. Denn im Rentenalter gibt es das Netzwerk der Arbeit nicht mehr.
Stichwort Liebe und Sex: Auf die heterosexuelle Zweierpartnerschaft kann man und frau sich künftig nicht mehr verlassen, einfach weil die Lebenserwartung der Frauen höher ist als die der Männer. Bevölkerungsexperten sprechen sogar von einer „Feminisierung des Alters“.
Doch auch die Männer tun was für ihre Gesundheit. Während heute von den über 75-Jährigen in Deutschland nur 32 Prozent Männer sind, wird dieser Anteil im Jahre 2050 auf 42 Prozent steigen. Trotzdem werden es wahrscheinlich alte Single-Frauen sein, die künftig die Trends im Zusammenleben, in gegenseitiger Unterstützung und seelischer Intimität bestimmen – ungeachtet einer Werbewirtschaft, die nach wie vor das heterosexuelle Kukident-Paar am Nordseestrand als Altersmodell vorgaukelt.
Und Sex? Wir leben bekanntlich in einer Angebergesellschaft, was die Sexumfragen betrifft. Ob die gealterte Gesellschaft allerdings auch noch in 45 Jahren ständig über Sex redet, ohne in Wirklichkeit so viel Sex zu haben, das ist eine interessante Frage.
Stichwort Zusammenleben: Vielleicht nützt sie doch was, die WG-Erfahrung aus der Jugend, wenn es in späteren Jahren mal wieder an eine neue Form des Zusammenlebens geht. Immerhin bescheinigt Miegel den heute Jungen und künftigen Alten mehr Übung „in der Herstellung von Sozialkontakten“. Allerdings ist die WG selbst weniger gefragt. Aus der heutigen Altersforschung weiß man, dass sich Hausgemeinschaften und Nachbarschaften am besten als Sozialformen für das Alter eignen – zu viel alltägliche Nähe wird im Alter nicht gewünscht.
Stichwort Glück: Die Altersforscherin Gudrun Schneider erkundete die hohe Kompensationsfähigkeit der Alten. Und siehe da: Viele Alte fühlen sich genauso wohl wie die Jüngeren. Sie kompensieren nämlich die Einschränkungen und verlagern ihre Genussfähigkeit. Ein sonniger Frühlingsmorgen kann für alte Menschen den Tag retten.
Allerdings: Alter ist nicht gleich Alter. Es wird künftig eine sehr differenzierte Wahrnehmung geben zwischen dem „dritten“ Alter der 60- bis 80-Jährigen und dem „vierten Alter“ der Hochbetagten, meint der Altersforscher Paul Baltes. Das dritte Alter gilt nämlich als fitte Lebensphase, in der man noch reisen und Sport treiben kann, während bei den 80-Jährigen die Malaisen und Einschränkungen drastisch zunehmen.
Und was ist mit dem so genannten Jugendwahn? Wird er schlimmer oder besser in einer alten Gesellschaft? Evolutionsbiologen sagen, die Attraktivität der Jugend wird immer sehr stark sein. Nur: Cool bleiben und lässig altern ist ein nicht zu toppendes Rollenmodell, auch für die heute erst 25-Jährigen, die sich noch im Vorteil der Jugend wähnen und tief im Innern schon um dessen Vergänglichkeit wissen. Sie schauen auf die Alten, denn die sind ihre subjektive Zukunft – und das wird auch in 40 Jahren noch so sein.