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Aldi informiert nicht mehr

Weil die „Süddeutsche Zeitung“ kritisch über den Discounter berichtete, strich der seine Anzeigenfür das Blatt. Offiziell ist von „geändertem Werbekonzept“ die Rede. Doch das ist schlicht falsch

von JÖRG SCHALLENBERGund STEFFEN GRIMBERG

Es wäre eine Revolution – zumindest für Aldi-Süd. Das hatte Bernd Kastner von der Münchner Lokalredaktion der Süddeutschen Zeitung haargenau erkannt, als er vor knapp zwei Wochen über eine Aldi-Filiale im Münchner Süden berichtete, deren Mitarbeiter einen Betriebsrat wählen wollen. Etwas so Ungeheures ist in den etwa 1.500 Läden von Aldi-Süd, die von Nordrhein-Westfalen abwärts die alte Bundesrepublik versorgen, noch nie vorgekommen. Lediglich bei Aldi-Nord können bei einer Hand voll Filialen die Angestellten mitbestimmen.

Die Reaktion im Süden folgte prompt: Die SZ berichtete von Diffamierungen, Bedrohungen und gezielten Behinderungen schon bei der Einberufung eines Wahlvorstandes. Das las sich gar nicht gut für Aldi-Süd – und der Discounter macht auf seine Weise Druck: Bis auf weiteres sind alle Aldi-Anzeigen bei der SZ gestoppt. Von Seiten der Zeitung gibt es offiziell keinen Kommentar zu diesen Vorgängen – bislang hieß es jeweils montags und donnerstags in der Bayern-Ausgabe der SZ ganzseitig „Aldi informiert“. Doch Verlagsmitarbeiter bestätigen eine Focus-Meldung, nach der der Anzeigen-Boykott die SZ rund 1,5 Millionen Euro kosten wird.

Gewohnt schwierig ist es, zu diesem durchsichtigen Geschäftsgebaren eine Auskunft bei Aldi zu bekommen. Nicht umsonst verlieh die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche 2003 die „Verschlossene Auster“ an den Discounter – für dessen konsequente Informationsblockade.

Aldi spricht

So ist es beinahe schon eine zweite Sensation, dass eine Sprecherin der für München zuständigen Aldi-Regionalzentrale Eichenau Auskunft gibt: Hintergrund der SZ-Stornierung sei, „dass Aldi-Süd das Werbekonzept geändert hat“. Man wolle in München jetzt nur noch in kostenlosen Wochenblättern Anzeigen schalten. Über einen möglichen Zusammenhang mit der SZ-Berichterstattung will sie nichts sagen. (Wie wenig man bei Aldi-Süd Presseanfragen gewohnt ist, belegt auch die entgeisterte Nachfrage: „Sie wollen doch jetzt nicht wirklich einen Artikel darüber schreiben, oder?“).

Die mangelnde Medienerfahrung mag auch erklären, dass Aldi-Süd einige Schwierigkeiten damit hat, Journalisten die Wahrheit zu sagen. Denn wer gestern andere Münchner Zeitungen aufschlug, konnte sich auf Seite 8 (Münchner Merkur) bzw. 21 (Boulevardblatt tz) wie gewohnt von Aldi-Süd informieren lassen. Beide Blätter erscheinen aber täglich und sind nicht umsonst zu haben. Und beide hatten übrigens – das nur nebenbei – nicht über die geplante Betriebsratswahl berichtet.

Formal ist das Aldi-Verhalten unproblematisch: „Ein Unternehmen darf seine Werbeschaltung nicht zur direkten Steuerung redaktioneller Inhalte nutzen“, sagt Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW): „Wenn ein Unternehmen aber sagt, ich gebe dort keine Anzeigen mehr hin, weil mir die Berichterstattung nicht gefällt“, sei das zulässig – „ein dünner Pfad“, so Nickel.

Die Kündigung der Aldi-Annoncen dürfte die SZ besonders hart treffen, denn die Zeitung leidet nach wie vor massiv unter dem Einbruch der Anzeigenerlöse in den vergangenen Jahren. Dabei haben, wie der Düsseldorfer Werbeexperte Thomas Koch vor kurzem in der taz feststellte, gerade die erbittert konkurrierenden Discounter wie Lidl, Aldi oder Netto auch in Krisenzeiten für stabile Einnahmen gesorgt.

„SZ“ bleibt am Ball

Trotz der weiteren Finanzlücke gibt sich der stellvertretende SZ-Lokalchef Karl Forster unbeeindruckt von den offensichtlichen Einschüchterungsversuchen. Forster, der die redaktionelle Verantwortung an jenen Tagen trug, an denen die Artikel über Aldi erschienen, betont: „Von Seiten der Anzeigenleitung gibt es überhaupt keinen Druck auf die Redaktion. Die Stimmung ist eher so, dass man sagt: Jetzt erst recht. Wir werden die Geschichte, die bald wohl vor Gericht geht, weiter verfolgen.“

„Beschwerden von Aldi-Süd über den Inhalt der Artikel“, sagt Forster, habe es übrigens „keine gegeben“. Das hätte wohl auch nicht zum Stil des Unternehmens gepasst.

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