: Ohne Ende shoppen gehen
Kaum ist der erste lange Samstag vorbei, wollen Händler den Ladenschluss komplett kippen. Dabei zeichnet sich schon jetzt ab: Nur die großen Geschäfte gewinnen, die kleinen verlieren. Und die Beschäftigten streiken derweil für Spätarbeitszuschläge
von MATTHIAS SPITTMANN
Kaum darf der Einzelhandel von Montag bis Samstag bis 20 Uhr seine Pforten geöffnet halten, mehren sich die Forderungen, dass Ladenschlussgesetz ganz abzuschaffen. Während Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), immerhin den Sonntag ausnehmen möchte, forderte der Chef des Marktforschungsinstituts GfK, Klaus Wübbenhorst, die Ladenöffnungszeiten völlig freizugeben.
Auch Fußball und hochsommerliche Temperaturen hatten am Samstag nicht verhindern können, dass tausende Kauflustiger die verlängerten Ladenöffnungszeiten gleich am ersten Tag nutzten. Während sich große Kaufhäuser und Einkaufsmeilen über Umsatz-Zuwächse im oftmals zweistelligen Prozentbereich freuen durften, konnten die Kunden abseits der Top-Lagen in weitgehend leeren Geschäften für die Feiertage einkaufen.
So sie überhaupt einen Verkäufer fanden: Denn nur 14 Prozent der Läden in Vororten und Stadtteilen wollten die Möglichkeit des zum 1. Juni geänderten Ladenschlussgesetzes überhaupt nutzen, samstags länger als bis 16 Uhr zu öffnen, so eine HDE-Umfrage. Die wenigsten davon aber bis 20 Uhr. Vielerorts, selbst in den Großstädten, zeichnet sich eher ein Trend zu Öffnungszeiten zwischen 10 und 18 Uhr ab: Nur jedes elfte Geschäft will künftig die gesetzliche Möglichkeit, insgesamt vier Stunden länger zu öffnen, voll ausschöpfen.
Die Beobachtungen des ersten Tages nähren derweil Befürchtungen, die vor allem kleinere Händler geäußert hatten. Auch HDE-Präsident Hermann Franzen musste einräumen, dass die längeren Öffnungszeiten „wahrscheinlich doch Kunden verstärkt aus dem Umland in die City bringen“ werden. Das ginge einmal mehr zu Lasten der kleineren Geschäfte. Dabei rechnet der HDE für dieses Jahr ohnehin schon mit 30.000 Pleiten, aber nur mit 15.000 Neugründungen.
Manche Unternehmen hatten allerdings neben der Frage, ob sich längere Öffnungszeiten lohnen, am Samstag noch ein anderes Problem, das sie dazu brachte, wie bisher um 16 Uhr zu schließen: die Gewerkschaften. Denn bisher gibt es keine Einigung über Zuschläge für die Samstagnachmittagsarbeit. Viele Geschäfte entzogen sich zwar durch Vereinbarungen mit ihren Betriebsräten dem Dilemma, doch das schafften nicht alle. Reaktion von 300 Beschäftigten in acht nordrhein-westfälischen Kaufhäusern: Sie streikten den ganzen Tag über für einen Tarifvertrag.
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