: Der Sprengstoff liegt in der Verkehrspolitik
Auch nach dem Koalitionsgespräch zu Pfingsten schwelt die rot-grüne Krise in Nordrhein-Westfalen weiter. Entscheidung bis Anfang Juli
KÖLN taz ■ Peter Eichensehers Fazit über die Verkehrspolitik der nordrhein-westfälischen SPD fällt vernichtend aus. „Schlimmer kann man es nicht machen“, urteilt der Verkehrspolitiker über das sozialdemokratisch geführte Verkehrsministerium. „Doch wer die strategischen Defizite und die politischen Fehlleistungen offen anspricht, wird nicht als konstruktiver Gesprächspartner, sondern als Feind behandelt.“ Am Freitag entschloss sich der Landtagsabgeordnete, nicht länger Feind sein zu wollen: Zur Sommerpause werde er seine Funktion als Verkehrspolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion niederlegen, kündigte Eichenseher an.
Das „Friedensangebot“ kam pünktlich kurz vor der Sitzung des rot-grünen Koalitionsausschusses. Zweieinhalb Stunden berieten die Spitzen von SPD und Grünen am Freitagabend über das Schicksal des Regierungsbündnisses an Rhein und Ruhr. Zwar sprach die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn von einem „klaren, offenen Gespräch“, aber weißer Rauch stieg noch nicht über der Düsseldorfer Staatskanzlei auf. „Wir werden weiter versuchen, die beiden Grundmelodien einander anzunähern“, formulierte SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück vorsichtig. Bis spätestens Anfang Juli wollen beide Seiten jetzt über eine weitere Zusammenarbeit entscheiden. „Ich will am Ende keine weiteren Formelkompromisse oder wolkige Selbstversicherungen“, sagte Steinbrück.
Ob das möglich ist, könnte schon das nächste Treffen Anfang übernächster Woche zeigen. Dann steht auch der Konfliktpunkt Verkehr auf der Agenda. Neben den Differenzen in der Energiepolitik liegt hier der größte Sprengstoff. Dass dabei der Rückzug des „roten Tuchs“ Eichenseher höchstens klimatische Entspannung bringen dürfte, weiß auch Steinbrück: „Die Lösung eines Personalproblems bringt gar nichts, wenn dahinter die inhaltlichen Probleme bleiben.“
Das sieht Eichenseher nicht anders, der vor drei Wochen im Verkehrsausschuss mit der Opposition gestimmt und die Koalitionskrise mit ausgelöst hatte. Sein angekündigter Rückzug sei in keiner Weise als inhaltliche Kapitulation zu verstehen, sagte er gestern der taz. Er wolle der SPD lediglich einen Vorwand nehmen, sich der Lösung von Sachproblemen zu entziehen. Eine sinnvolle Verkehrspolitik bedeute mehr als „emsige Betriebsamkeit bei Einzelprojekten, Ankündigungen ohne Umsetzung, Förderprogramme ohne realistische Zielperspektive“, bemängelt Eichenseher, der in den vergangenen acht Jahren sechs SPD-Verkehrsminister amtieren sah.
So betreibe die SPD seit Jahren eine „irrationale Luftverkehrspolitik“. Die Ausbaupläne, die der Koalitionspartner für die Flughäfen des Landes vorgelegt habe, gingen an den aktuellen Herausforderungen vorbei oder seien längst überholt. Eichenseher: „Was mich so stört, ist die Realitätsferne der Genossen.“
PASCAL BEUCKER