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Archiv-Artikel

Nur noch mittendrin

Der Kajak-Fahrer Lutz Liwowski hat am Wochenende sein Comeback. Enden soll dieses bei Olympia in Athen

MÜNCHEN taz ■ Der Kajak-Fahrer Lutz Liwowski hat es sich nie leicht gemacht, so schwer wie diesmal aber auch noch nicht. Am Wochenende hat er in Duisburg bei der ersten nationalen Qualifikationsregatta für Olympia sein Comeback – im Alter von 36 Jahren und nach mehr als einem Jahr Pause vom Hochleistungssport wegen andauernder Schmerzen in der Schulter, dem wichtigsten Gelenk der Kanuten. Und er kann sowieso nicht so viel trainieren wie die Gegner, weil er acht Stunden täglich arbeitet als Maschinenbau-Ingenieur bei einem Energieunternehmen. „Ich bin zuversichtlich, dass es klappt“, sagt Lutz Liwowski trotz allem. „Der Bursche wird es nicht einfach haben“, glaubt hingegen Bundestrainer Josef Capousek. Der Kader der Kajak-Fahrer sei, was das Leistungsniveau angehe, sehr homogen; Liwowski sei zwar dabei, aber nur mittendrin: „Er setzt sich nicht ab, so wie früher.“

Früher war Liwowski über 1.000 m nicht nur der beste Kajakfahrer Deutschlands, er war der beste der Welt. Weltmeister und Weltcup-Sieger 1998 und 1999, der große Favorit für Olympia 2000 in Sydney. Dort ging er unter, schon im Halbfinale. Liwowski konnte es nicht erwarten, endlich loszupaddeln, er schlug ins Wasser, bevor das Startsignal ertönte – Disqualifikation. Es ist schon behauptet worden, dass Lutz Liwowski in Athen sein Sydney-Trauma verarbeiten wolle, aber das hat er längst getan. „Das ist vorbei“, sagt er, „man kann ja nichts mehr dran machen.“ Es sei nur so, dass die Olympischen Spiele „immer noch einen großen Reiz haben“; man sehe das schon daran, dass er nicht der einzige Kanute ist, der in dieser Saison einen Comeback-Versuch unternimmt: Auch Birgit Fischer hat wieder angefangen, mittlerweile 42-jährig; und auch Anett Schuck, in Sydney Mitglied des Gold-Vierers, ist zurück im Boot.

Von den Rückkehrern ist nur Lutz Liwowski der ganz große Erfolg verwehrt geblieben, und manchmal trauert er der verpassten Gelegenheit in Sydney noch etwas nach, gibt er zu: „So eine Chance kriegt man nie wieder“, sagt er, „die werde ich auch jetzt nicht kriegen, selbst wenn ich mich qualifiziere.“ In insgesamt fünf Rennen muss sich Liwowski durchsetzen, erst national bei zwei Regatten in Duisburg an diesem Wochenende und Anfang Mai, dann folgt Mitte Mai die EM in Polen. Dort geht es für die Kajak-Fahrer des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) darum, einen so genannten Quotenstartplatz über die 1.000-Meter-Distanz zu erkämpfen. Der fehlt dem DKV als einziger in den neun Bootsklassen noch. Erst wenn sie bei der EM den Olympiaplatz gesichert haben, wird bei zwei weiteren Regatten in Racice (Tschechien) und wiederum Duisburg der Fahrer ermittelt, der diesen Platz dann in Athen einnimmt. „Wer die Qualifikation schafft, der kann sich nicht mehr als Olympia-Tourist bezeichnen“, sagt Liwowski.

Den Flachwasser-Kanuten wird die Olympia-Teilnahme ja nicht leicht gemacht. Ihre Zahl ist beschränkt worden, um die vom Ausschluss bedrohten Kollegen von Kanuslalom auch noch im Programm zu behalten. „Am liebsten hätten sie wohl, dass zu Olympia nur noch neun Leute dürfen, die dann direkt das Finale fahren“, sagt Liwowski.

Für seine Kritik an den Funktionären und ihren Entscheidungen war der Essener jahrelang berüchtigt, sein Streit mit Bundestrainer Capousek nach der Disqualifikation von Sydney schlug damals hohe Wellen. Inzwischen hat sich das Verhältnis normalisiert, wie beide bestätigen. Der Trainer war es sogar, der dem Athleten voriges Jahr riet, seine Karriere nicht offiziell zu beenden, sondern seine Absenz als Pause zu deklarieren. „Ich habe aber nicht mehr damit gerechnet, dass ich noch einmal zurückkomme“, gibt Lutz Liwowski zu. JOACHIM MÖLTER