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Archiv-Artikel

Neuer Krieg im Kongo

Großangriff der RCD-Rebellen auf Verbündete Kabilas weitet Kongokrieg aus. Nun droht ein ethnischer Konflikt

BERLIN taz ■ Im Osten der Demokratischen Republik Kongo bahnt sich ein ethnischer Konflikt an, der den Krieg zwischen Hema und Lendu in der nordöstlichen Region Ituri in den Schatten stellen könnte.

Seit dem Wochenende rücken Einheiten von Kongos größter Rebellenbewegung, der von Ruanda unterstützten RCD, nach Norden in das Gebiet der von Kongos Regierung unterstützten Gruppierung RCD-ML vor. Nach der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Kanyabayonga soll die RCD inzwischen 65 Kilometer vor Butembo stehen – mit 500.000 Einwohnern die größte Stadt der Region.

Die marschierenden Einheiten sind nach Angaben von Beobachtern nicht die reguläre RCD-Armee, sondern die Parallelarmee des RCD-Gouverneurs der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, Eugène Serufuli. Einst als Polizeitruppe aufgestellt, wurde sie nach dem Abzug der Armee Ruandas aus der Region letztes Jahr massiv aufgerüstet. Dass sie nun an vorderster Front steht, hat für den Kongo insgesamt den Vorteil, dass die RCD sich von der Offensive distanzieren kann, sodass der offizielle Friedensprozess nicht gestört wird; für den Ostkongo hat es aber den Nachteil, dass der Konflikt damit eine ethnische Komponente gewinnt.

Denn Serufulis Miliz rekrutiert sich fast ausschließlich aus den Hutu unter der ruandischstämmigen Bevölkerungsgruppe Nord-Kivus. Die RCD-ML hingegen stützt sich auf das Volk der Nande. Ruander und Nande sind die beiden größten Volksgruppen der Region und traditionelle Rivalen um die Macht in Nord-Kivu. Vor zehn Jahren, in der Endphase der Mobutu-Diktatur, begannen mit organisierten Vertreibungen von Ruandern die ersten ethnischen Konflikte des Ostkongo, die damals 70.000 Tote forderten.

Wenn Serufulis Miliz jetzt versucht, das RCD-ML-Gebiet zu erobern, dürfte dies Widerstand von Nande-Milizen hervorrufen. In Butembo sowie in der RCD-ML-Hauptstadt Beni kam es gestern zu Demonstrationen gegen die „Apathie“ der UN-Mission im Kongo (Monuc), weil sie dem Fall Kanyabayongas nur zugesehen habe. Die Monuc-Beobachter in Kanyabayonga seien kurz vor der RCD-Offensive abgezogen.

Victor Malu-Malu, Rektor der Universität Butembo, beschrieb die Stimmung in der Stadt gegenüber der taz als „allgemeine Panik“. Bei einem Näherrücken der Kämpfe rechnet er mit einer Massenflucht in Richtung des 200 Kilometer nördlich gelegenen Bunia, Stationierungsort der internationalen Eingreiftruppe. Dort haben die Konfliktparteien von Butembo Verbündete: Die RCD unterstützt die Milizen der Hema, die RCD-ML die der Lendu. So droht eine Verzahnung der Konflikte Ostkongos, was die Eingreiftruppe überfordern dürfte. DOMINIC JOHNSON