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Archiv-Artikel

Gute Schüler mal nach Hause schicken

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig stellt Eckpunkte ihrer Politik vor: Größere Klassen an Oberstufen und ein besserer Stundenfaktor für Grundschullehrer zum Sommer. Bürgermeister gibt Rückendeckung bei Überprüfung der Berufsschulreform

von KAIJA KUTTER

Sie kann kämpfen und tut es im Rahmen der Möglichkeiten. Diesen Eindruck vermittelte Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig, als sie gestern bei Rooibos-Tee und Keksen die Eckpunkte ihrer Schulpolitik vorstellte. So ließ sie sich, bevor sie sich gestern in ein „klärendes Gespräch“ mit der Handelskammer über die Berufsschulreform begab, vom Bürgermeister „freie Hand“ zusichern. Und seit vorigen Mittwoch „kämpft“ sie nach eigenen Angaben auch dafür, dass der Bildungsbereich bei der Kita-Umlage zur Begleichung der allein 2004 dort zusätzlich benötigen 40 Millionen Euro verschont bleibt. „Es ist klar, dass wir mit den vorhandenen Stellen auskommen müssen“, erklärte die parteilose Senatorin. Weshalb sie für notwendige Verbesserungen anderswo Einschnitte vornehmen müsse.

Größere Klassen: „Wir werden um eine Zunahme der Klassengrößen in Hamburg nicht herumkommen“, sagt Dinges-Dierig. Dabei denkt sie vor allem daran, die je nach Schulstufe unterschiedlichen Basisfrequenzen „glattzuziehen“. So sei es pädagogisch nicht begründet, dass eine 5. Klasse am Gymnasium mindestens 25 Schüler haben soll, eine an der Oberstufe jedoch 20,2. Letztere müssten deshalb auf 25 erhöht werden. Klein bleiben sollen lediglich die Klassen der Sonderschulen.

Laut Dinges-Dierig haben andere Bundesländer größere Klassen, weil sie nach dem „Klassenteilerprinzip“ verfahren. Das schreibt beispielsweise vor, dass aus 60 oder 68 Schülern zwei Klassen mit je 30 oder 34 Kindern gebildet werden. Pädagogisch sieht die Senatorin keine Nachteile an großen Klassen. So sei wissenschaftlich untersucht, dass es „keine Korrelation“ zwischen Größe und Erfolg einer Klasse gebe. Eine große Klasse könne bei modernen Unterrichtsformen mit eigenständigem Lernen gar von Vorteil sein. Dinges-Dierig: „Je mehr Schüler sie haben, desto mehr könne sie in einer Klasse gestalten.“ Auch könne man „gute Schüler mal nach Hause schicken“, sofern keine Aufsichtspflicht besteht.

Blockzuweisung: Für „besondere pädagogische Aufgaben“, bespielsweise Hauptschüler für die Lehre fit zu machen, soll es eine „Blockzuweisung“ geben. Andere, bereits gewährte Zuweisungen wie die 400 Stellen zur Sprachförderung sollen auf ihren Erfolg geprüft werden.

Arbeitszeitmodell: Aus der Sicht der Senatorin ist der Runde Tisch zum Lehrerarbeitszeitmodell sich nicht einig geworden. Deshalb soll es jetzt noch keinen einheitlichen Faktor für alle geben und die Spreizung von 1,2 bis 1,9 Stunden pro Fach bleiben. Ob das gerecht ist, soll ab August eine externe Evalution klären.

Verbesserungen jetzt: Dennoch sollen Grundschullehrer ab dem 1. August einen besseren Zeitfaktor bekommen. Auch soll es gesonderte Stunden für Musiklehrer geben, die Chöre und Orchester leiten. Ferner dürfen ab August alle Schulen, wenn die Lehrerkonferenz mit Mehrheit dafür stimmt, die Stunden intern flexibel verteilen.

Berufsschulen: „Organisationsreformen sind nie Selbstzweck. Hier habe ich aber das Gefühl“, sagte Dinges-Dierig. Gleichwohl will sie mit der Handelskammer über konkrete Reformschritte streiten und dabei bewusst die Organisationsfrage offenlassen, damit dies nicht die Debatte dominiere. Dass dann das Volksbegehren „Bildung ist keine Ware“ nicht gestoppt wird, „stört mich nicht“, sagte sie. Konkret möchte sie von der Handelskammer die Zusage, dass die vollzeitschulischen Bildungsgänge – die bis zu 60 Prozent aller Nicht-Abiturenten durchlaufen – durch eine Kammerprüfung aufgewertet werden, damit die Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben.

Sprachförderung: Der alte Senat hatte seit Januar 16.000 4-Jährige zum Schulleitergespräch bestellt, um Sprachförderbedarf zu ermitteln. Dinges-Dierig stellt diese „Massenaktion“ in Frage und will sie durch gezieltere Förderung ersetzen. Die könnte beispielsweise beim ohnehin obligatorischen Einschulungsgespräch passieren.

Schulstandorte: Größere Oberstufenklassen wird eine Konzentrierung von Gymnasien zur Folge haben. Die Bildungsbehörde soll bis zum Frühherbst eine interne Analyse von Schulstandorten und Geburtenzahlen für einen Schulentwicklungsplan vorlegen. Der „Vorschlag aus dem Haus“ soll dann mit den Beteiligten vor Ort besprochen werden. Dinges-Dierig war nach eigenen Worten „nicht glücklich darüber“, dass bereits jetzt auf einer Liste für strukturelle Maßnahmen zum Sommer 2004 Schulen genannt wurden, die einmalig zu wenig Anmeldungen hatten. Eine Entscheidung hierüber wird in der Schuldeputation am 9. Juni fallen.