: Entdeckung der Hoffnungslosigkeit
In der Verkehrspolitik verabschieden sich die Grünen von weit reichenden Zielen. Kerosinsteuer für den Flugverkehr und ein Tempolimit auf Straßen kommen im neuesten Positionspapier nicht mehr vor, die Erhöhung der Ökosteuer wird „geprüft“
AUS BERLIN HANNA GERSMANN
„Die Verkehrswende ist ausgeblieben“, heißt es in einem Positionspapier der grünen Abgeordneten Fritz Kuhn, Albert Schmidt und Michaele Hustedt zur Zukunft der nachhaltigen Mobilität. Allerdings: Sie kommt auch nicht mehr. Zumindest reichen die Ideen, die die drei entwickelt haben, dafür nicht aus. Vorgestellt wurde das Papier gestern zum Auftakt der grünen Verkehrskonferenz in Berlin.
Hustedt, die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Kuhn (Wirtschaftssprecher) und Schmidt (Verkehrssprecher) haben drei Ziele festgelegt: Erstens soll der Verbrauch von herkömmlichem Benzin und Diesel bis 2020 um 40 Prozent sinken. Im selben Zeitraum soll zweitens der Anteil von alternativem Sprit wie Bioethanol oder Biogas auf 25 Prozent steigen. Drittens soll in diesem Jahr ein Wettbewerb „Modellregion nachhaltige Mobilität“ ausgeschrieben werden.
Damit verabschieden sich die Grünen davon, unnötigen Verkehr zu vermeiden. Sie setzen stattdessen auf anspruchsvolle Technik – so wie es auch im Umweltschutz bis Ende der Achtzigerjahre üblich war. „Wir streben bis 2010 eine Verringerung des durchschnittlichen Spritverbrauchs auf 5 Liter und bis 2015 auf 3 Liter pro hundert Kilometer an“, erläutert Hustedt.
Alles Weitere bleibt vage. CO2-arme Erdgasfahrzeuge werden „spürbar“ zunehmen, heißt es im Papier. Die Weiterentwicklung der Ökosteuer wird „geprüft“. Anreize zum Kauf verbrauchsarmer Autos „können“ von einer CO2-abhängigen Kfz-Steuer ausgehen. Auch die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Ferntickets der Bahn sprechen die Autoren an. Gefordert wird das alles nicht. Eine Kerosinsteuer für Flieger, Lärmschutz, Tempolimit, lebenswerte Innenstädte werden erst gar nicht erwähnt.
Die „Benzinwut“-Kampagne der Union, das Debakel bei der Einführung der Lkw-Maut und der Aufruhr um geringere Steuervergünstigungen für Pendler haben den Grünen den Mut genommen. So sagt Albert Schmidt: „Wir müssen uns den Herausforderungen ehrlicher stellen.“ Die meisten Menschen wollten die Bewegungsfreiheit, hat er erkannt. Verkehr empfänden sie zwar als stinkig und laut, definierten ihn dann aber einfach zum weltläufigen und multikulturellen Reisen um. Das sei eine „Lebenslüge“, so Schmidt. Vor allem die Grünen reisten „zum Freund nach Kairo, zur Konferenz nach London“.
„Wir sind nicht autofeindlich“, sagt dann Felix Kuhn. Das Auto sei der deutsche Exportschlager. Nur werde sich das spätestens ändern, wenn die Abgase auch für China zur unerträglichen Last würden. Die deutschen Konzerne müssten jetzt umdenken. Außerdem schätzten Ökonomen, dass derzeit 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Staus und Verspätungen draufgehen.
Hat sich seit sechs Jahren Rot-Grün überhaupt was getan? „Ja“, sagt Albert Schmidt. Der Spritverbrauch geht pro Jahr um 2 Prozent zurück, seitdem es die Ökosteuer gibt. Zudem haben Busse und Bahnen in Deutschland im vergangenen Jahr erstmals mehr als 10 Milliarden Personen transportiert. Und: Der Bundesverkehrsminister hat dreimal gewechselt.