Ein Marathon durchs Presswerk

Zum zweiten Mal fand der Ruhr-Marathonlauf statt. In diesem Jahr durften die Läufer erstmals quer durch das Opel-Werk I in Bochum rennen. Klassische Opernarien und ein roter Flügel begleiteten sie

VON PETER ORTMANN

Alle Bänder standen still, als die Läufer des zweiten Ruhr-Marathons begeistert klatschend durch die riesige Halle im Bochumer Opel-Werk I liefen. Da hatten sie auch erst ein Viertel der 42,195 Kilometer hinter sich. Sie applaudierten dem russischen Pianisten Oleg Polianski am roten Flügel, der auf dem Podest eine Opernsängerin begleitete, die sichtbar Mühe hatte, die Beifallsstürme der pausierenden Opel-Belegschaft mit ihrer Stimme live zu übertönen.

Von Dortmund nach Essen zog sich die klassische Olympia-Strecke, gesäumt von einer halben Millionen Zuschauer und zahlreichen Verpflegungsstationen für die vielen Amateure unter den Läufern, die zwar viel Mühe, aber kaum eine Chance auf die 16.500 Euro Preisgeld hatten. Dabei sein war alles, das galt sowohl für Ex-Zehnkämpfer Frank Busemann als auch für den Bochumer CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Lammert, der freudestrahlend nach 350 Metern im Presswerk des Automobilherstellers wieder in die Sonne rannte.

Das Preisgeld holte sich nach 2:10:08 Stunden Faustin Baha aus Tansania. Der 22-Jährige Langstreckenstar gab im Revier ein überlegenes Marathon-Debüt. Erst 2:03 Minuten nach ihm erreichte Samson Loywapet aus Kenia das Ziel in Essen. Bei den Frauen gewann erwartungsgemäß Lydia Wasilewskaja aus der Ukraine mit 2:30:06 Stunden.

Baha hatte bei Kilometer 32 die Führung übernommen und zeigte sich nach seinem ersten Marathon doch etwas erschöpft. „Das Rennen war für mich recht hart, weil mir noch die Erfahrung auf solch langen Strecken fehlt“, sagte er und strahlte auf dem Berliner Platz in Essen über das ganze Gesicht.

22.700 Läufer waren am Morgen in Dortmund an den Start gegangen. Viele hatten sich für den Halbmarathon gemeldet, der bis in die Herner Innenstadt führte. Hier mussten sie eine halbe Stunde eingepfercht zwischen Stahlgittern auf das Ende warten. „Das war ziemlich abtörnend“, beschwerte sich eine schwitzende Läuferin. Auch sei die Strecke ziemlich eng gesteckt gewesen. Zum Überholen habe sie immer Slalom laufen müssen.

Kritik gab es schon beim Start in Dortmund. Ein großer chinesischer Drache schwebte über der Menge. Mit dem Slogan „Näherinnen schuften in China – Karstadt lebt von den Hungerlöhnen“ protestierten die örtliche Attac-Gruppe und die Kampagne für saubere Kleidung/ Clean-Clothes-Campain (CCC) gegen die Sportartikel-Industrie. In der CCC sind kritische KonsumentInnen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften organisiert, um die weltweite Ausbeutung der Näherinnen von Reebok, adidas und Co anzuprangern. Reebok, drittgrößter Sportartikelhersteller der Welt und Hauptsponsor des zweiten Karstadt-Ruhr-Marathons, investiere zwar Millionen in die Werbung, für die Menschen am Ende der Versorgungskette bleibe nicht viel übrig, so Attac-Sprecher Frank Rothe.

Daran dachten die Läufer bei ihrem Kampf gegen die Kilometer und sich selbst sicher nicht. Abwechslung gab es nämlich an jeder Ecke: stramme Bergmanns-Kapellen, dröhnende Partymeilen und wippende Hüpfburgen.