: Keine Macht der KMK
Entscheidet die leicht kafkaeske Kultusministerkonferenz über Deutschlands „Kulturhauptstadt“? Eine Jury wäre besser
Seitens der Kultusministerkonferenz (KMK) wird erst einmal jede Zuständigkeit bestritten. „Das Thema Kulturhauptstadt“, sagte Klaus Eichner „ist nicht unsere Angelegenheit.“ Die Modalitäten für die Auswahl lege allein das Auswärtige Amt fest.
Was der freundliche Funktionär, seines Zeichens Leiter des KMK-Ressorts „Angelegenheiten der EU und des Europarates“ nicht wusste: Noch zur selbigen Stunde tagte der KMK-Kulturausschuss. Auf der Tagesordnung: die Struktur des „Verfahrens für die deutschen Bewerbungen zu Europas Kulturhauptstadt 2010“.
Eine transparente Vorauswahl auf nationaler Ebene, getroffen durch eine Expertenjury – auf diese Forderung hatten sich die Vertreter von 12 der 14 Bewerberstädte auf einem Treffen in Kassel verständigt. Ein nachvollziehbarer Wunsch. Denn bislang steht nur fest, dass Deutschland für den Titel Vorschlagsrecht hat und einen oder mehrere Bewerber benennen darf.
Die innerstaatliche Auswahl der Kandidaten erfolgt, so ein Sprecher des Außenministeriums, „nach einem zwischen Bundesrat, Kultusministerkonferenz und Auswärtigem Amt einvernehmlich festgelegten Verfahren“. Die „Feinheiten“ seien jedoch noch „völlig offen“.
Bislang – in den Fällen West-Berlin (1988) und Weimar (1999) – hieß das: Die leicht kafkaeske KMK fällt als höchste kulturpolitische Instanz der Bundesrepublik einen inhaltlichen Beschluss. Den nickt der Bundesrat ab, und das Ministerium reicht ihn in Brüssel ein.
Bei einer Abstimmung in der KMK hätte der Bremer Kleinstaat unverhältnismäßig gute Karten. Denn dort, anders als bei einer Entscheidung des Bundesrates, verfügt Bremen über genauso viele Stimmen wie Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen. Jens Joost-Krüger, Projektleiter Kulturhauptstadt bei der Bremer Marketing Gesellschaft, lobt trotzdem den Vorschlag einer Expertenjury – damit „wirklich die beste Bewerbung gewinnt“.
Bislang kann jedes Bundesland nur einen Kandidaten benennen. Das hatte jüngst zu Nickeligkeiten in Niedersachsen geführt. Im Mai hatte der NDR während der Sendung „Hallo Niedersachsen“ die ZuschauerInnen über die Frage abstimmen lassen, ob Braunschweig oder Osnabrück die geeignete Kandidatin wäre. Laut „Braunschweiger Zeitung“ gab es im Städtischen Klinikum eine „Anordnung von Überstunden“ – mit der Empfehlung, die Braunschweiger Kandidatur durch „permanenten wiederholten Anruf“ zu unterstützen. Der NDR registrierte über 20.000 Telefonate – 88 Prozent davon für Braunschweig. Auch seitens der Landesregierung, so eine Sprecherin des Hannoverschen Kulturministeriums, gäbe es „starke Sympathien für die Braunschweiger Bewerbung“.
Im Dezember will der Deutsche Kulturrat alle Konkurrenten einladen, um über die mediale Präsentation der Konzepte zu diskutieren. Sie könne „ähnlich wie bei der Olympia-Auswahl“ aussehen, so der Kasseler Kulturhauptstadtbewerbungsberater Reinhart Richter. Die war kürzlich zum Fernsehereignis avanciert. Benno Schirrmeister