Ohne Reue

Das einstige RAF-Mitglied Gabriele Rollnik im Interview

„Keine Angst vor niemand“ – der Titel von Gabriele Rollniks und Daniel Dubbes aktueller Publikation lässt an den mittlerweile klassischen Song von Ton Steine Scherben denken: „Ich bin nicht frei und kann nur wählen / welche Mörder mit befehlen (...) / In jeder Stadt und in jedem Land / heißt die Parole von unserem Kampf / keine Macht für niemand“, sang 1972 Rio Reiser.

Von genau jenem Sound der 70er Jahre, angesiedelt in der Westberliner linken Szene irgendwo zwischen Blues und politischer Aktion, handelt der bei dem Hamburger Nautilus Verlag erschienene kleine Band. Im Gespräch erzählt Rollnik, ehemalige Aktivistin der „Bewegung 2. Juni“ und der „Roten Armee Fraktion“ (RAF), dem Journalisten Dubbe ihren persönlichen und politischen Lebensweg. Nach Michael Baumann, Ralf Reinders, Ronald Fritzsch, Till Meyer und Inge Viett ist sie nun die sechste, die auspackt. Da waren das Dortmunder Elternhaus und ein Vater, der Polizeibeamter war. Das Studium der Soziologie, verbunden mit dem Wunsch, Theorie und Praxis zu vereinen. Da war die Betriebsarbeit bei AEG-Telefunken und schließlich der Gang in den bewaffneten Untergrund.

Rollnik benennt immer wieder Widersprüche, Fehleinschätzungen und glückliche Zufälle, wenn sie von den Gefängnisausbrüchen berichtet, von den Banküberfällen mit Schokokussverteilung, der nicht geplanten Erschießung des Berliner Kammergerichtspräsidenten Günther von Drenkmann oder der Entführung des CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz.

Nur fragt Dubbe, der schon den ehemaligen RAF-Sympathisant Thorwall Proll in Form des Interviews berichten ließ, hier selten nach. So betrachtet die Akteurin die Geschichte oft kritischer als der Interviewer. „Wir sind zu Recht gescheitert“, sagt Rollnik, die 1992 nach 15 Jahren Haft entlassen wurde, gegen Ende des Buches. Und zum Schluss betont sie: „Ich habe es zu keinem Zeitpunkt meines Lebens bereut.“ Über die Spannung zwischen diesen Sätzen kann heute Abend mit Rollnik gestritten werden. Andreas Speit

Gabriele Rollnik/Daniel Dubbe: Keine Angst vor niemand. Nautilus, 128 Seiten, 9,90 Euro. Lesung: Heute, 20 Uhr, Buchladen in der Osterstraße, Osterstraße 171