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Archiv-Artikel

Antideutsche Linke mit Problemen

Ein Streit um das Johannes-Agnoli-Erbe bedroht den Ça-Ira-Verlag. Die Witwe des verstorbenen Politologen wirft dem Verlag vor, Texte sinnentstellt publiziert zu haben

Der Politologe Johannes Agnoli, der 2003 verstorben ist, gehörte einst zu den wichtigen Stichwortgebern der deutschen Studentenbewegung. Mit seinem Standardwerk „Transformation der Demokratie“, das schon Mitte der Sechzigerjahre erschien, setzte er Maßstäbe für eine linke Parlamentarismuskritik: Daran hielt er auch fest, als viele Ex-Apo-Veteranen schon längst in den Parlamenten saßen.

In einer 1990 im kleinen Ça-Ira-Verlag wieder aufgelegten Fassung von „Transformation der Demokratie“ hatte Agnoli in einem Nachwort die Aktualität seiner Parlamentarismuskritik unterstrichen, gerade angesichts der Entwicklung der Grünen. Dieses Buch ist nun allerdings vergriffen. Ob es wieder aufgelegt wird, ist noch unklar, denn dem Freiburger Verlag wurde von Agnolis Witwe eine Neuauflage untersagt: Beide verkehren mittlerweile hauptsächlich vor Gericht miteinander.

Der Grund für den Streit ist der Sammelband „Transformation des Postnazismus“, den der Wiener Politologe Stefan Grigat herausgegeben hat. Darin sei ein Vortrag Agnolis, den dieser im April 2002 an der Wiener Universität gehaltenen habe, ohne Zustimmung ihres Mannes veröffentlicht worden, wirft die Witwe dem Verlag vor; außerdem sollen sinnentstellende Veränderungen in dem Text vorgenommen worden sein. Mit einer einstweiligen Verfügung wollte Barbara Agnoli den Freiburger Verlag nun verpflichten, den Sammelband zurückzuziehen. Diese Klage wurde zwar zurückgezogen, doch der Konflikt wird die Gerichte weiter beschäftigen. „Ich will ein richterliches Urteil, auch wenn mir das Risiko einer Niederlage bewusst ist“, so Barbara Agnoli. Für die Gegenseite könnte eine juristische Niederlage die Existenz bedrohen. „Dann sind wir pleite“, meint der Geschäftsführer des Ça-Ira-Verlages, Manfred Dahlmann. Wirtschaftlich sei der Verlag immer ein Zuschussgeschäft gewesen; er sei nur durch Spenden und ehrenamtliche Arbeit am Leben gehalten worden.

Die Auseinandersetzung hat auch eine politische Komponente. Der Ça-Ira-Verlag sowie die befreundete Initiative Sozialistisches Forum (ISF) stehen der so genannten „antideutschen Linken“ nahe, welche beispielsweise die Besetzung des Iraks durch die USA als Kampf gegen den Baathismus und islamischen Faschismus und als Schutz für Israel unterstützt.

Das sei nicht das richtige Umfeld für den Nachlass ihres Mannes, meint Frau Agnoli. „Der Kontext, auf den der Vortrag in diesem Buch zurechtgestutzt wurde, entspricht nicht Agnolis politischem Denken und Handeln“, schreibt sie über das von Grigat herausgegebene Buch. Dort werde die palästinensische Bevölkerung als „Kollektiv von Selbstmordattentätern und Moslemfaschisten“ bezeichnet. Agnoli sei ein entschiedener Gegner des Irakkrieges gewesen.

Dahlmann bestätigt die politischen Differenzen zwischen Agnoli und dem Verlag. Die allerdings hätten gute Zusammenarbeit nie unmöglich gemacht, im Gegenteil: Agnoli habe Vertrauen zu dem Verlag gehabt und daher in der Regel nicht auf die Beglaubigung jedes Wortes in den Aufsätzen bestanden.

Bleibt nur zu hoffen, dass über diesen Streit Agnolis Schriften nicht vergessen werden. Nach Zehntausender-Auflagen in den Siebzigerjahren umfasste die Neuauflage von „Transformation der Demokratie“ von 1990 dagegen gerade mal 3.000 Exemplare. Und diese sind auch erst seit kurzem vergriffen.

PETER NOWAK