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Archiv-Artikel

TARIFVERTRÄGE: DIE MERZ-INITIATIVE KÄME DIE ARBEITGEBER TEUER Rambo-Vorschläge, aber überflüssig

CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz hat eine neue Botschaft: Die Unionsführung will das „Tarifkartell“ aufbrechen. Firmen sollen sich eigenmächtig vom Flächentarifvertrag verabschieden dürfen, wenn Belegschaft, Betriebsrat und Geschäftsführung dafür sind. Dieser Vorschlag passt so gut ins Bild – Friedrich Merz, der Rambo des Sozialen –, dass nicht so schnell auffällt, wie überflüssig, unpraktisch und antiquiert dieser Einfall ist.

Überflüssig: Schon jetzt ist der Flächentarifvertrag mehr Schein als Sein, oft betrifft er nur die Fläche eines Betriebs. Zu den mehr als 1.000 Tarifbereichen kommen betriebliche Bündnisse, Härtefallklauseln, Öffnungsklauseln und Beschäftigungssicherungsvereinbarungen. Wem diese Flexibilität trotzdem nicht ausreicht, der hat als Firmenchef eine simple Alternative: Er kann sich aus dem „Tarifkartell“ verabschieden und den Arbeitgeberverband verlassen. Das geschieht massenhaft. Die Betriebe verschwinden mit dem sicheren Wissen, dass der kleine Rest der Verbandsfirmen sich irgendwie auf einen Tarifvertrag mit den Gewerkschaftern einigen wird. Danach kann sich das abtrünnige Unternehmen geruhsam überlegen, was es dem eigenen Betriebsrat anbietet. Der Flächentarifvertrag dient als Orientierung – es wäre sehr unpraktisch, ihn abzuschaffen, wie Merz es fordert. Denn dann müsste der Lohnstreit in jedem Betrieb ganz neu ausgefochten werden.

Vor allem aber kämpft Merz gegen einen inexistenten Gegner. Sein Bild von den Gewerkschaften ist antiquiert; er sieht immer noch den „Funktionär“ vor sich, der im Glaspalast sitzt und den Marsch der Massen befiehlt. Die Zukunft gehört jedoch mobilen kleinen Vereinigungen wie der Lokführergewerkschaft oder der Pilotenvereinigung Cockpit, die nur noch die Eliten der Arbeitnehmer organisieren. Sie sind mehr Berufsverband denn Gewerkschaft und setzen gezielt darauf, dass das Know-how ihrer Mitglieder so unersetzlich ist, dass die Arbeitgeber besonders verhandlungsbereit sein müssen.

Diese Entwicklung würde ohne Flächentarifvertrag sogar beschleunigt. Dann könnte es schnell passieren, dass sich aus der IG Metall eine „Autobauer-Gewerkschaft“ herauslöst, die an der Gewinnschwemme bei Porsche beteiligt sein will und kurzerhand 13 Prozent Lohnerhöhung fordert. Bisher geschieht dies nicht, weil die Gewerkschaften durch den Flächentarif noch Rücksicht nehmen auf die schwächeren Betriebe. Entsolidarisierung hat auch für Firmen ihren Preis. Das sollte Friedrich Merz als Kompetenz-Kandidat für alle Wirtschaftsfragen wissen. ULRIKE HERRMANN