: Das müssen Sie wissen
Alle Berichte über die Osterweiterung verschlafen? Keine Sorge: Es ist noch nicht zu spät, etwas über die neuen EU-Länder zu lernen. Eine Übersicht von MIA RABEN
Slowenien
Die Slowenen sind die Musterschüler unter den Beitrittskandidaten, was die Erfüllung der Kriterien betrifft. Italienische, deutsche und slawische Einflüssen prägten das selbstbewusste Volk.
Zurzeit haben Volksbefragungen Konjunktur. Ob die erste Moschee des Landes gebaut werden darf, muss per Volksentscheid entschieden werden. Im April widersprachen die Slowenen in einem nicht bindenden Referendum dem Verfassungsgericht. Sie wollen nicht, dass Menschen, die nach dem Bürgerkrieg aus dem Bevölkerungsregister (register prebivalstva) gestrichen wurden, wieder eingebürgert werden.
Besonders frustriert die Erfinder des Skispringens (smučarsci scoci, sprich: smutscharski skoki) die ständige Verwechslung mit der Slowakei. Auch die Fahnen sind ähnlich. Ein Design-Wettbewerb für eine neue Flagge scheiterte jedoch – an einer Volksbefragung.
Ungarn
Die Ungarn lieben Operetten und Strandpartys (ünnepseg strandon, sprich: ünepscheg strandon) am Plattensee (Balaton). Den Deutschen sind die Ungarn das sympathischste der beitretenden Völker. Sie gelten als sentimentale Pragmatiker (szentemális gyakorlatias ember, sprich: sentemalisch dschakorlatias ember).
Zurzeit fahndet Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser in Ungarn nach verschwundenem DDR- und SED-Vermögen. Neulich eröffnete in Budapest das erste Holocaust-Museum des Landes.
Besonders stolz sind die Ungarn auf ihre zahlreichen Nobelpreisträger. Die ehemalige ungarische Pornodarstellerin Ilona „La Cicciolina“ Staller war italienische Abgeordnete und zeigte dem Parlament in Rom ihre üppigen Brüste (telt keblek). Gulasch ist übrigens kein Fleischgericht, sondern eigentlich eine Suppe. Unser Gulasch heißt in Ungarn Pörkelt.
Tschechien
Die Tschechen sind Weltmeister im Biertrinken. Sie lesen gern viel und überall. Verbotene Klassiker gingen zu Sowjetzeiten als illegale Drucke von Hand zu Hand. Städter fahren gern aufs Land zum Pilzesuchen.
Zurzeit bieten Studenten in Prag den begeisterten Obdachlosen (bezdomový) Englischkurse an. Das Atomkraftwerk Temelín ist ständig defekt. Gerade beschloss die Regierung den Ausbau der Atomenergie. Die Österreicher toben. Eine Moschee in der Stadt Orlova wird nach Protesten nicht gebaut. Ein unbequemer Chefredakteur (vedoucí redakce) wurde neulich krankenhausreif geschlagen.
Besonders feige sei Pornoqueen Dolly Buster, lästerte die NEI-Partei, für die sie nun doch nicht in den Europa-Wahlkampf zieht. An der John-Lennon-Mauer in Prag hinterließ jüngst Yoko Ono einige Liebesbotschaften (poselství lásky).
Malta
Die Malteser sind ein schlager-(fl ewwel post)-begeistertes Völkchen. Einschaltquoten beim Eurovision Song Contest sind mit 98 Prozent bedenklich hoch. Malteser haben viel Geld, aber wenig Einfluss. Sie sind das kleinste EU-Land.
Zurzeit erschießen Malteser geschützte Vögel (bil-ligi). Die Jäger pfeifen aufs EU-Recht. „Da wird geschossen, was vorbeifliegt“, sagt ein Sprecher von Animal Rescue. Das Europäische Parlament findet keine Übersetzer. „Wie die Nadel im Heuhaufen“, sagt die dortige Chef-Dolmetscherin, suche man nach kompetenten Kräften.
Besonders köstlich: Die Kräuterlimo Kinnie. La Valetta hat die höchste Puffdichte im Mittelmeerraum. Für die maltesisch-libysche Austragung der nächsten Schach-WM (kampjonat tać-ćess) mit K.O.-System (verkürzte Bedenkzeit) hat Gaddafi angeblich ein Preisgeld von 1,5 Millionen Dollar gestiftet.
Slowakei
Die Slowaken hören in ihrer Hauptstadt selbst am Sonntag (nedela, sprich: njedela) nicht auf zu bauen (stavat, sprich: stawatsch). Ständig wurde der jüngste Staat der EU fremd beherrscht: von den Ungarn, den Habsburgern, den Tschechen, zuletzt von den Russen. Selbst genannte Schwächen: Alkohol und Korruption.
Zurzeit werfen Menschenrechtler den Slowaken vor, die geschätzten 10 Prozent Roma im Land zu diskriminieren. Nachdem Roma-Gruppen Supermärkte geplündert hatten, weil ihnen die Sozialhilfe um 50 Prozent gekürzt worden war, verletzte die Polizei einige Roma.
Besonders stolz sind die Slowaken auf den Gewinn der Eishockey-Weltmeisterschaft 2002. Einen großen Künstler brachten sie hervor: Andy Warhol. Und neulich rettete der Hund eines Wanderers sein Herrchen vor einem der rund 300 frei lebenden Braunbären (hnedémedvede, sprich: hnjedemedwedje).
Estland
Die Esten kaufen ihr Feierabendbier oder die Busfahrkarte (bussipilet) gern per Handy. Doch das hält sie nicht davon ab, ihren Acker mit Pferden zu pflügen.
Zurzeit horten die Esten Zucker (suhkur) und Salz (sool). Sie haben Angst vor der kommenden Preissteigerung. Bier und Wodka werden hoffentlich weiterhin ein Drittel billiger sein als im Nachbarland Finnland. Von dort erwarten die Esten einen Ansturm.
Besonders große Angst haben die Esten vor Wölfen (hundid). Einst wurden die Tiere als „Geächtete“ gejagt. Nun ist der Bestand in den estnischen Wäldern nach Schätzungen schon von 700 auf 70 geschrumpft. Die EU konnte der Regierung kein Jagdverbot abringen. Wegen einer eigenartigen Schandtat musste der Landwirtschaftsminister im April zurücktreten: Ein Drittel der staatlichen Getreidevorräte war aus einem Speicher spurlos verschwunden. War es Kornschieberei?
Lettland
Den Letten macht ihre Vergangenheit mit den russischen Besatzern (krievo okopanti) noch arg zu schaffen. Selten mischen sich im Straßenbild Letten mit Russen, die gut dreißig Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Zurzeit erhitzt eine geplante Schulreform (skolo reforma) der Regierung die Gemüter. Schüler und Eltern der russischen Minderheit murren, weil ab Herbst der Unterricht in den höheren Klassen aller russischen Schulen weitgehend in Lettisch abgehalten werden soll. Hätte man das vom ersten grünen Ministerpräsidenten der EU erwartet? In Deutschland irritierte die ehemalige Außenministerin Sandra Kalniete mit ihrer Gleichsetzung der sowjetischen mit den Naziverbrechen.
Besonders berauscht sind die Letten von ihrer Cannabis-Butter (kanepju sviests). Dabei bleiben sie tatsächlich stocknüchtern: nur die Cannabis-Samen werden geröstet, gemahlen und mit Öl oder Butter versetzt.
Litauen
Den Litauern ist nicht nur ihre Landwirtschaft heilig. Sie sind zu 80 Prozent gläubige Katholiken und sehr stolz auf ihre Künstler (menininkas), denen sie bei Premieren gern Blumen mitbringen.
Zurzeit schmücken Plakate mit den Zehn Geboten die Straßen der zweitgrößten litauischen Stadt Kaunas. Weniger fromm: Weil Präsident Roland Paksas, ein gelernter Kunstpilot, korrupt war – er verkaufte seinem Freund, dem russischen Mafioso Juri Borisow, den litauischen Pass –, wurde er abgesetzt. Neuwahl im Juni.
Besonders beliebt ist Punkstar Andrius Mamontovas. Auch in Los Angeles und New York. Zu Hause füllt er Stadien mit 60.000 Zuhörern – und das bei einer Einwohnerzahl von lediglich 3,5 Millionen. Die Kinder der Litauer heißen oft Sonne (saule), Glück (laime) oder Meer (jura). Ihre Sprache ist eng verwandt mit dem indischen Sanskrit.
Polen
Die Polen geben ihren Frauen einen Handkuss (pocałunek w ręnkę, sprich: poza-unek w renke [nasal]). Für die überwiegend streng katholischen Polen sind Sonntagskirche und warmes Mittagessen (obiad) genauso wichtig wie das ständige Tee-(herbata)-trinken.
Zurzeit kämpfen konservative Katholiken vehement gegen „beleidigende Künstler“. Dorota Nieznalska aus Danzig stellte auf einem großen Kreuz einen Penis (członek, sprich: tschuonek) aus. Die „Liga polnischer Familien“ war empört und zeigte sie an. Wegen ihres Werks „Passion“ verdonnerte das Gericht sie zu einem halben Jahr Landesarrest und gemeinnütziger Arbeit. Jetzt ist sie in Berufung gegangen.
Besonders stolz sind die Polen auf den Pabst (papież) und den Komponisten Frederic Chopin, der kein Franzose war, wie viele denken. Auch Skispringwunder Adam Małisch trieb ihr Selbstbewusstsein in die Höh.
Zypern
Die Zyprer sind gespalten. Türkisch im Norden und griechisch im Süden, arm (griech.: ftochos, türk.: fakir) und reich (griech.: plousios, türk.: zengin, sprich: sengin), muslimisch und christlich. „Ich verdiene hier viermal so viel“, sagt ein Bauarbeiter. Wie 7.000 andere Arbeiter pendelt er jeden Tag in den Süden.
Zurzeit lehnen die christlich-griechischen Südzyprer es ab, sich mit den türkisch-muslimischen Nordzyprern zu einen. Denn eine Wiedervereinigung (griech.: epanenosi, türk.: yeniden birleșme, sprich: jenidan billeschme) wäre auch ein schwerer finanzieller Kraftakt.
Besonders harmonieren die Streithähne, wenn ein berühmtes Liebeslied (griech.: erotiko tragoudi, türk.: așk șarkisi, sprich: aschk scharkese) anklingt. Diese grenzenlose Popularität hat vielleicht einen sehr simplen Grund: Ein großer Teil des Liedtextes besteht aus der internationalen Zeile „Nananana“.