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Archiv-Artikel

Wie kommt mehr Geld ins System?

Politikberatungs-Papst Bert Rürup hält Hof in Bremen: Er will die Gesundheits- und Arbeitskosten entkoppeln – und plädiert deshalb vehement für Kopfpauschalen

Von jox
Prof. Dr. Dr. Rürup: Der einzige Vorteil der Bürgerversicherung ist ihr wärmender Name

Bremen taz ■ Kaum hat das Sommersemester richtig angefangen, bekamen politisch interessierte Zeitgenossen in der designierten „Wissenschaftsstadt“ Bremen letzte Woche ein akademisches Schmankerl serviert: Kollektiv hastete also die Stadt in der Abenddämmerung zum Bremer „Zentrum für Sozialpolitik“ und drängte sich in einem kleinen, stickigen Raum. Anlass war der Vortrag eines Mannes vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Darmstadt. Allerdings mit einem Namen wie Donnerhall: Professor Doktor Doktor Bert Rürup gab sich die Ehre, Kanzler-Berater mit sozialdemokratischem Parteibuch, Wirtschaftsweiser und Chef der „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme“, vulgo: Vorsitzender der Rürup-Kommission, die vor einigen Monaten ihren Abschlussbericht an die rot-grüne Bundesregierung übergeben hat.

Rürup, ein brillanter Rhetor und lustvoller Diskutant, eröffnete als erster Gastreferent ein hochkarätig besetztes „Gesundheitspolitisches Kolloquium“, in dessen Mittelpunkt im Sommersemester die Frage steht, wie die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) „zukunftsfähig“ finanziert werden kann und soll.

Rürup geht von der Prämisse aus, dass die medizinische Versorgung künftig keinesfalls billiger werden wird, weder durch medizintechnischen Fortschritt noch durch Prävention. Seine zentrale Frage lautet mithin lapidar: „Wie kommt mittel- und langfristig mehr Geld ins System?“ Zwar sei das deutsche Gesundheitssystem keineswegs marode und stehe auch „nicht unmittelbar vor dem Kollaps“, setzt sich Rürup gegen alarmistische Stimmen zur Wehr. Es gebe hierzulande „durchwegs gute ambulante und stationäre Versorgung, keine Wartezeiten, keine alters- und einkommensabhängigen Zugangsbarrieren“. Gleichwohl sei unser System „relativ teuer“ und von „Überregulierung, mangelndem Wettbewerb und unzureichender Transparenz“ geprägt. Als entscheidende Schwäche macht Rürup die „Verkoppelung von Gesundheits- und Arbeitskosten“ aus. Wenn also etwas explodiert sei, dann seien es nicht die Gesundheitskosten per se, sondern die Beitragssätze – und damit die Arbeitskosten.

Rürup plädiert deshalb mit Vehemenz für „kostenorientierte Gesundheitspauschalen“, kurz auch „Kopfpauschale“ genannt. Er sieht die medizinische Versorgung als Gut, das über Preise finanziert werden müsse. „Wenn ein Preis für einen Versicherten zu hoch ist“, so Rürup, „dann bekommt er einen Zuschuss, der aus dem Steuersystem finanziert wird“ – vergleichbar mit dem heutigen Mietzuschuss, dem Wohngeld. Derzeit würde eine rürupsche Pauschalprämie monatlich bei etwa 200 Euro pro Erwachsenen liegen. „Für alle, die über 1.400 Euro brutto verdienen, wären 200 Euro weniger als 14 Prozent ihres Einkommens“, rechnet der Ökonom vor.

Rürup räumt ein, dass auch sein Vorschlag zur Finanzierung der Gesundheitskosten „kein Königsweg“ sei. Ungeklärt ist vor allem noch, wie der soziale Ausgleich über Steuermittel finanziert werden kann. Im Unterschied zur „Kopfpauschale“ habe das Konzept einer „Bürgerversicherung“, nach dem steuerähnliche, individuell unterschiedliche Beiträge vom Einkommen (auch von Mieten, Zinsen und Aktiengewinnen) erhoben werden sollen, aber nur „einen großen Vorteil“, spottet der Professor: „ihren Namen“. Der nämlich vermittle „Wärme, Geborgenheit und ein solidarisches Füreinander“ – eine „substanzielle Problemlösung“ sei damit aber nicht verbunden. „Denn was ökonomisch falsch ist, kann auch politisch langfristig nicht richtig sein.“

jox

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