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Archiv-Artikel

Kostenfreie Kinder-Bildung in Gefahr

Hamburgs 250 Vorschulklassen stehen zur Disposition. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) will „Nebeneinander mit den Kitas“ beenden. GAL-Opposition warnt indes vor „Billiglösung“ und befürchtet, dass die Qualität baden geht

von KAIJA KUTTER

Von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) hört man zurzeit wenig bis gar nichts zur künftigen Kita-Politik. Nur, dass alle Empfehlungen der behördenübergreifenden Kita-Lenkungsgruppe „geprüft“ würden, war ihr auf der jüngsten Jugendausschusssitzung zu entlocken. Doch nach taz-Informationen wird der dortige Vorschlag, die rund 250 Vorschulklassen aufzulösen und deren Bildungsauftrag in die Kindertagesstätten zu integrieren, in Senatskreisen bereits als Lösung angesehen.

Vorschulen werden von rund 38 Prozent der fünfjährigen Hamburger besucht, etwa 56 Prozent besuchen eine Kita, sechs Prozent weder das eine noch das andere. Dass das „Nebeneinander“ von Vorschulklassen und Kitas „beendet“ werden soll, hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schon am 17. März in seiner Regierungserklärung angekündigt. Theoretisch denkbar wäre hierfür auch die Verlagerung der Kinderbetreuung in die Vorschulklassen. Dies müsste jedoch mit einer vollständigen Beitragsfreiheit auch für die Kita-Kinder einhergehen, scheint es doch politisch wie juristisch fragwürdig, für einen bisher kostenfreies Vorschulangebot Gebühren zu nehmen.

„Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft stehen die Zeichen auf Alarm“, sagt deren Kita-Fachsprecher Jens Kastner. Er fürchtet, dass künftig die Fünfjährigen-Bildung nicht mehr in den Händen von SozialpädagogInnen und LehrerInnen liegt, sondern den schlechter bezahlten und kürzer ausgebildeten ErzieherInnen überlassen wird. „Deutschland und Österreich sind die Einzigen, die sich das leisten“, so Kastner. „In der übrigen EU ist Personal mit Fachhochschulausbildung mit dieser Bildungsaufgabe betraut.“

In Sorge, dass die „Pluspunkte der Vorschule baden gehen“, ist auch GAL-Politikerin Christa Goetsch. „Dort gibt es einen neuen Lehrplan, das ist Pisa in Reinform“, schwärmt die Fraktionschefin. Auch gebe es an den Vorschulen Werkräume, Küchen sowie Bewegungsräume, die nicht jede Kita bieten könne. „In der Kita ist die Bildung nicht garantiert und in der Vorschule die verlässliche Betreuung nicht“, fasst sie Vor- und Nachteile beider Angebote zusammen.

In einer Anfrage will Goetsch nun wissen, ob der Senat die Vorschulen in den nächsten Jahren ganz abschaffen will, und ob die Standards beispielsweise bei der Qualifizierung des Vorschulpersonals künftig von Kitas erfüllt würden. Hinter der Anfrage der GAL steckt die Furcht vor einer „Billiglösung“, bei der ein weiterer gewichtiger Vorteil der Vorschule verloren ginge: Erreicht sie doch als kostenfreies Angebot gerade auch bildungsferne Schichten.