: Wo der schwule Schneemann grüßt
Tour de Gott am Jadebusen: 14 Monumentalkunstwerke zu biblischen Themen, binnen zweieinhalb Jahren zum Selbstkostenpreis aufgebaut, säumen über 60 Deich-Kilometer. Verantwortlich dafür ist Pfarrer in Ruhe Franz Klimmeck, der Schrecken friesischer Ortsbürgermeister
aus CäciliengrodenThomas Schumacher
„Slagt dot“, riefen die Bauern in der Wesermarsch im Mittelalter und zerfetzten Söldnerheere, bevor sie von der Übermacht der Bremer und Münsteraner Bischöfe geknechtet wurden. „Ischa Revolution“, zuckten 1918 Wilhelmshavener Matrosen mit den Schultern und verweigerten den Gehorsam. „Klimmeck mach“, dieser Schlachtruf scheucht heute die Bürgermeister in Friesland und der Wesermarsch unter die Sitzungstische. Denn wenn Frank Klimmeck macht, hagelt es Kunstwerke. 14 Monumental-Plastiken entlang des Deichs hat er seit dem Jahr 2000 bereits errichten lassen.
Der Mann ist die Dampfwalze Gottes. 30 Jahre lang war Klimmeck Pastor der evangelischen Gemeinde zu Cäciliengroden am Jadebusen – einer 1935 gebauten kleinen Mustersiedlung für Wilhelmshavener Werftarbeiter. Bis 1945 waren die Straßen in dem Ort nur nummeriert. Dann benannten die Einwohner sie nach sozialistischen Größen: Noch heute heißt der zentrale Platz „Karl-Marx-Platz“. Der Pfarrer i. R. schmunzelt. „Da haben wir für gekämpft, als die CDU den Platz 1990 umbenennen wollte.“
Jetzt, im Ruhestand, macht Klimmeck in Kunst, obwohl seine Mutter meint: „Da hat er keine Ahnung von.“ Aber, drei Dinge braucht der Mann: Die Deiche, Gott und was zu tun. Und natürlich Freunde: Zufällig lernt Klimmeck den Lausitzer Bildhauer Adrian Jähne kennen. Da springt ihn die Idee an, in Zusammenhang mit der Expo 2000 ein Kunstprojekt aufzuziehen.
„Die Deiche haben mich immer fasziniert“, so Klimmeck. „Wir wollten durch unsere Aktion ihre kulturelle Bedeutung hervorheben.“ Eingebunden werden sollten dabei auch die Kirchengemeinden. Aber Klimmecks Amtsbrüder zeigten sich zunächst begeisterungsresistent. Wenn überhaupt, dann wollten sie sich nur an einer Gott gefälligen Aktion beteiligen. „Unter der Dusche hatte ich die entscheidende Idee: ein Skulpturenweg zu biblischen Themen. Die Schöpfung bot sich am Meer natürlich an.“
Ohne differenziertes Konzept, ohne Jury und ohne Finanzierungszusagen machte sich der Geistliche ans Werk. Über Jähne lernte er andere BildhauerInnen kennen. „Ich habe denen voll vertraut“ – so sein Auswahlkriterium. Zum Glück ließen sich seine Bekannten von der freien Deichaufsicht begeistern. „Damit hatten wir die Grundstücke sicher und kostenlos.“
Dann begann das Agitieren in den Gemeinden. Während eines einmonatigen Workshops im Jahre 2000 hämmerten sieben Kunstschaffende ihre Werke unter den neugierigen Augen der Bevölkerung. Cäciliengroden war zentraler Arbeitsplatz. Die Bäcker spendierten einen Monat lang Brot und Brötchen, die Schlachter Fleisch und Mittagessen und eine Brauerei aus Jever legte eine Bierpipeline. Spontan fanden sich „Patenschaften“ für die Skulpturen, Privatleute durften sich gegen Spenden auf einem Ziegelstein vor „ihrem“ Kunstwerk verewigen.
„Im Eröffnungsgottesdienst hab’ ich spontan die Skizzen und Modelle versteigert. Die Leute haben vielleicht geguckt. Aber ich habe alles verscheuert.“ Klimmeck reibt sich die Hände. Zoff habe es nur bei einer einzigen Spende gegeben: der vom Atomkraftwerk in Rodenkirchen. „Die wollten die Künstler nicht annehmen.“ Das habe er dann erledigt, grient der Pfarrer.
Weil die ganze Aktion so erfolgreich war, wiederholte er sie 2002: Jetzt stehen an der Westseite des Jadebusens sieben Skulpturen zum Thema Schöpfung, an der Ostseite ebenfalls sieben Arbeiten zum Thema Sintflut. Verbunden sind sie durch einen herrlichen Radwanderweg, an dem auf der Ostseite noch gebaut wird.
Fast alle Arbeiten sind aus Bentheimer Sandstein gemeißelt, und mit einer Ausnahme hat jeder Künstler zwei Skulpturen geschaffen. Bemerkenswert: Die zweite Staffel ist deutlich stimmiger durchgearbeitet, als der Schöpfungs-Zyklus. Dies fällt besonders bei Ivo Gohsmann auf. Zum Thema Tiere im Wasser und in der Luft hat er noch eine unbestimmte Form à la Brancusi nebst ausschweifendem Text abgeliefert. Beim Sintflut-Motiv Regenbogen findet er jedoch zu einer atemlos ruhigen, handwerklich fesselnden Sandstein-Arbeit mit integriertem Stahlbogen.
Auf der Schöpfungsseite glänzt Adrian Jähne. Fast naiv setzt der einzige „auswärtige“ Künstler den zweiten Schöpfungstag Die Feste – der Himmel um: Vier Säulen halten eine tonnenschwere Decke. Leider erwies sich der Stein als porös. Jähne hatte ihn durchbrechen und die Säulen freistellen wollen. Aber das war zu gefährlich – und hätte mehr Zeit beansprucht als einen Monat. Doch auch als Block wirkt die Skulptur leicht und sicher. Ebenso beeindruckend das Kain und Abel Monument des Bremers Nicolei Deppe. Die biblischen Brüder sind im behauenen Stein nur angedeutet – Urgestalten. Kain wendet sich von seinem am Boden liegenden Bruder ab. Ein Findling schließt das Ensemble: Gewalt als Zusammenspiel von urwüchsiger Kraft und sozialer Bestimmtheit. Als Witzbold entpuppt sich dagegen der Oldenburger Eckhard Grenzer: Zur Sintflut fiel ihm ein riesiger schwuler Schneemann ein, den er östlich von Varel vor eine Sielschleuse klotzt. Zum Schöpfungsthema Ruhe (Der siebte Tag), installierte er eine Granitsteele, die jeden Moment umzukippen droht. Nix mit Ruhe. Gott ist offenbar bloß mal pinkeln gegangen. Jetzt müssen wir Menschen die Erde stützen. Sonst kracht sie uns auf den Kopf.
Enttäuschend wenig reflektieren die meisten KünstlerInnen den Standort ihrer Arbeit. Deich und der Jadebusen sind mit Ebbe und Flut atemberaubende Aktionen, die Themen Schöpfung und Sintflut springen direkt aus dem Meer. Nur: Kaum ein Werk fängt sie auf. So bleibt der Skulpturenradweg, obwohl direkt hinterm Deich, von Wasser und Watt geschieden. Aber es verbietet es ja keiner, während der „Tour de Gott“ vom Rad zu steigen und das „Natur“-Kunstwerk zu bewundern.