: Schnelle Strafverfahren für Jugendliche
Mit einem Projekt, das die Ansetzung von Gerichtsterminen erleichtert, will Hamburg jugendliche Schwellentäter abschrecken. Die SPD kann darin kaum mehr als die Nutzung von Telefonen auch in der Justiz erkennen
Mittlerweile ist es fast schon eine Standardforderung an die Justiz: eine schnelle Reaktion auf Straftaten von Jugendlichen. Das, so die einhellige Überzeugung, trage wesentlich dazu bei, Straftäterkarrieren zu verhindern. Mit Beginn dieses Jahres ist in Hamburg das Projekt „PriJuS“ angelaufen. Dahinter verbirgt sich das „prioritäre Jugendstrafverfahren für junge Schwellentäter“. Das sind 14- bis 15-Jährige, die mindestens zweimal in kurzer Folge Straftaten begangen haben. Bagatelldelikte wie Schwarzfahren sollen allerdings nicht dazu zählen.
Das Prinzip ist einfach: Gerichte können nun einen Verhandlungstermin ansetzen, noch bevor die Akte der Staatsanwaltschaft bei ihnen angekommen ist. Die Vorauswahl, welche Fälle dafür in Frage kommen, trifft der Polizeibeamte vor Ort, der dann nach Absprache mit dem Jugendstaatsanwalt eine standardisierte Fallmeldung per E-Mail an Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe schickt.
Die Staatsanwaltschaft prüft die Fallmeldung und leitet sie per E-Mail an den Jugendrichter weiter. PriJuS läuft zunächst für ein Jahr als Modellprojekt in den Gerichtsbezirken Wandsbek und Barmbek. Nach Schätzungen der Justizbehörde werden rund 100 Jugendliche dafür in Betracht kommen.
Die Justizbehörde freut sich in ihrer Ankündigung über ein Verfahren „von größtmöglicher Beschleunigung“, während SPD-Justizexperte Andreas Dressel die Beschleunigung zwar „völlig richtig“ findet, die Verwendung von E-Mail und Telefon dagegen „aus Sicht der Bevölkerung ein selbstverständliches Verfahren“.
Dressel plädiert ergänzend für eine stärkere Nutzung des vereinfachten Jugendverfahrens, das bei relativ klarer Beweislage eine schnellere Anklageerhebung erlaubt. Dafür kommen jedoch nur Delikte mit geringem Strafmaß in Frage.
In Schleswig-Holstein und Niedersachsen werden beschleunigte Strafverfahren bereits praktiziert – dort aber vor allem bei jugendlichen Intensivstraftätern. In einem Berliner Modellprojekt zur Beschleunigung von Jugendverfahren sind die zeitlichen Vorgaben klarer umrissen: während ein normales Jugendverfahren rund 1,6 Monate bis zur Anklageerhebung dauert und weitere fünf Monate bis zur Urteilsverkündung, soll die Schnellverfahren binnen zwei bis vier Wochen zur Verurteilung führen. In Hamburg ist keine zeitliche Vorgabe vorgesehen. Laut dem Sprecher der Justizbehörde Thorsten Fuerter geriete man damit in Konflikt mit der richterlichen Unabhängigkeit.
Der Vorsitzende des Hamburgischen Richtervereins Gerhard Schaberg begrüßte das Projekt: „Generell ist jede Verfahrensbeschleunigung ein Erfolg sowohl für die Strafverfolgung als auch für den Tatverdächtigen.“ Ob PriJuS allein ausreiche, müsse sich im Laufe des Jahres herausstellen – „auf jeden Fall ist es ein Schritt in die richtige Richtung“. Bundesweit stehe Hamburg in Sachen Strafverfolgung gut da, so Schaberg. Durchschnittlich dauere hier ein Schwurgerichtsverfahren von Erhebung der Anklage bis zum Abschluss vier bis sechs Monate. FRIEDERIKE GRÄFF