: Leben und leben lassen
Focke-Museum präsentiert: „zu Hause – Wohnungsbau in Bremen von 1950 bis heute“
Die gestern eröffnete Sonderausstellung im Focke-Museum gibt Auskunft darüber, wie sich Architektur nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat: „Zu Hause – Wohnungsbau in Bremen von 1950 bis heute“. Fotos und Texte führen in chronologischer Abfolge durch die verschiedenen Phasen: Vom Wiederaufbau der 1950er-Jahre über Wachstumswahn der 60er, anschließende Versuche der Stadterneuerung bis hin zur heutigen Vielfalt.
Konzepte wie „Urbanität durch Verdichtung“ oder die „autogerechte Stadt“ haben nicht gerade zur Attraktivität städtischen Wohnens beigetragen. Die Vahr war in den Fünfzigern noch die Vorzeige-Siedlung schlechthin, mit ausladenden Grünflächen und locker gruppierten Gebäuden. Davon ist in den Siebzigern bei der Großsiedlung Tenever wenig geblieben. Die erhoffte Klientel, der Mittelstand, blieb den gut geschnittenen Wohnungen fern. Heute kommen die meisten Mieter aus sozialen Randgruppen.
Wie aber sieht es hinter den Fassaden aus? Fotografie-StudentInnen der Hochschule für Künste haben dokumentarisch zu dieser Frage gearbeitet. „In Bremer Wohnzimmern“ lautet der Titel der Ergänzungsausstellung. Und so unterschiedlich wie die architektonischen Stile sind auch ihre Ansätze: Marcus Meyers Serie über Wohnzimmer in Tenever könnte glatt als Ratespiel durchgehen: Zeig mir, wie du wohnst, und ich sag dir, woher du kommst. Beim Russland-Deutschen-Ehepaar hängt ein Wandteppich mit Hirschen neben einem Jesus-Bild. Ebenso signifikant: goldgerahmte Koran-Verse bei einer türkischen Familie.
Den Fokus legen die Fotografen auf die unterschiedlichen Einrichtungen gleich geschnittener Wohnungen. Portraitiert werden Mieter und ihr Mobiliar.
Joanna Kosowska blickt mit ihren Schwarz-Weiss-Fotos in die Gesichter der Bewohner und lässt die Einrichtung meist in Unschärfe verschwimmen. Spätestens hier wird klar, dass Architektur eine Hülle ist. Wie lebenswert das Reihenhaus oder die Wohnsiedlung ist, darüber entscheidet, wie dort gelebt wird. Die Ausstellung im Focke-Museum gibt einen guten Überblick über die Geschichte des Bremer Wohnungsbaus nach dem zweiten Weltkrieg. Axel Lerner
bis 27. Juni