: Recht auf Erinnerung
Bremer Buchpremiere: Frauen und Holocaust
Ein kleines Buch. Ein wichtiges Buch: Lucille Eichengreen ist die einzige Überlebende ihrer Familie. 1941 wurde sie ins Ghetto von Łódz deportiert. Heute lebt die 1925 als Cecilie Landau in Hamburg geborene in den USA. Frauen und Holocaust heißt der schmale Band, den Verleger Helmut Donat heute Abend in der Buchhandlung Franz Leuwer vorstellt.
Eichengreen ist keine Unbekannte: Vor drei Jahren erschien ihre Autobiografie Von Asche zum Leben, zuvor hatte sie mit Rumkowski, der Judenälteste von Łódz daran erinnert, wie die perfide Hierarchisierung der Opfer privilegierte ‚Vertrauensleute‘ zu Mittätern machte. Im neuen Buch nimmt sie selbst sich deutlich zurück: Es enthält 16 in der einfachen Sprache mündlicher Erinnerung notierte Porträts. Etwa von Ruda, einer Außenseiterin noch im Ghetto, die ihren vermeintlich kranken Bruder Motek pflegt. Als sich zeigt, dass er simuliert hat, macht sie sich trotz Ausgangssperre auf den Weg: „Das Leben war ihr unerträglich geworden“, schließt Eichengreen behutsam. Ein Kapitel widmet sie auch den SS-Frauen. Bei ihnen seien „Brutalität und Verschlagenheit“ besonders ausgeprägt gewesen, heißt es in der Einleitung. Grund: Sie mussten beweisen, „dass sie einen ,Männerberuf‘ ausüben konnten“.
Der Vernichtungswahn war nicht geschlechtsspezifisch. Trotzdem stammt die Mehrzahl der Opfer-Memoiren von Männern. Eichengreen beweist, dass das Erleben weiblicher Opfer ein anderes war – und klagt deren Recht auf Erinnerung ein. Ein notwendiges Buch. bes
Lucille Eichengreen: Frauen und Holocaust, Donat, 96 Seiten, 10 Euro. Lesung: heute, 19 Uhr, Buchhandlung Leuwer, Am Wall 171