Es bleibt ein Achselzucken, ein Lächeln

Der FC Chelsea verpasst trotz anfänglichem Angriffswirbel mit dem 2:2 gegen den AS Monaco den Einzug ins Endspiel der Champions League, und der nächste Trainer sitzt mit José Mourinho vom anderen Finalisten FC Porto schon bereit

LONDON taz ■ Es sollte ein mit Emotionen überladener Abend der feuchten Augen und halbnackten Jubeltänze werden, doch vor dem wichtigsten Spiel der Saison hatte der Mann in der schicken Regenjacke keinerlei Anzeichen von Nervosität oder Anspannung gezeigt. Vor dem VIP-Eingang an der Stamford Bridge hatte er minutenlang freundlich Autogramme geschrieben, und auch später, als es den überdrehten Zuschauern zu gelingen schien, die Blauen vom FC Chelsea doch noch zum Sieg über Monaco zu brüllen, beobachtete er das hochdramatische Treiben auf dem Rasen scheinbar desinteressiert von der Tribüne. Dann fielen zwei Tore für die wackeren Gäste, Monacos Helden badeten mit erhobenen Fäusten in der Begeisterung ihrer 3.000 mitgereisten Fans. Chelsea war unglücklich ausgeschieden, doch der elegante Fußballlehrer zog sich unverdrossen zu einem Dinner mit seinem künftigen Chef Roman Abramowitsch zurück. José Mourinho war zufrieden: Das Ergebnis war ganz nach seinem Geschmack geraten.

Der Fußball lässt mit sadistischer Lust in schöner Regelmäßigkeit alte Freunde und Feinde, Betrüger und Betrogene und allerlei andere geschiedene Menschen aufeinander los, doch ein Endspiel zwischen „Dead Man Walking“ Claudio Ranieri und seinem designierten Nachfolger, dem smarten Mourinho vom FC Porto, wäre wohl selbst für den um Pietät und gute Sitten wenig bemühten Sport eine zu perverse Konstellation gewesen. Dieses makabre Spektakel bleibt den beiden und der Arena AufSchalke erspart – ein kleiner, aber nur schwacher Trost für den freundlichen Italiener, der sich so gerne mit dem Europapokal in der Hand vom ungeduldigen Ölzaren verabschiedet hätte.

45 Minuten lang hatte Chelsea, angetrieben von Publikum und dem Dauerrenner Frank Lampard, tatsächlich die „beste Saisonleistung“ gezeigt, wie Ranieri gefordert hatte. „Liebe Haie, willkommen zur Beerdigung“, hatte der Römer den Journalisten bei der Gelegenheit zugerufen, doch noch war Leben in ihm und seiner teuren Truppe. Unkomplizierter Angriffsfußball voller Elan und Überzeugung brachte Chancen um Chancen, Monaco kam nicht zu Ruhe, der kleine Didier Deschamps schien in seinem schwarzen Ledermantel verloren zu gehen. 2:0 stand es kurz vor der Pause, das hätte gereicht, dann kam jedoch, wie so oft in großen Partien, höhere Gewalt ins Spiel: Fernando Morientes Kopfball fiel vom Pfosten an den Arm von Hugo Ibarra, von dort an sein Schienbein und ins Tor. Die „Hand Gottes, Teil II“, erregte sich der Mirror über den glücklichen Treffer des Argentiniers, der später jedoch glaubhaft versichern konnte, das eigene Handspiel „erst im Fernsehen“ bemerkt zu haben. Ein findiger Schreiber vom Boulevard wollte gleich wissen, ob er das Tor seinem kranken Landsmann Diego Maradona widmen wolle. Ibarra verneinte höflich, der kleine Verteidiger hatte keine Lust auf die Rolle als Staatsfeind.

Auch dem nach dem Wechselchaos im Hinspiel böse gescholtenen Ranieri war wenig vorzuwerfen, ein klassischer Konzentrationsfehler der Abwehr hatte dem überragenden Morientes nach einer Stunde das zweite Tor und die Entscheidung ermöglicht. Nach dem 2:2 schlich der Rest des Matches träge und uninspiriert über den Platz, ähnlich wird sich die tragikomische Ära Ranieri dem seit Monaten absehbaren Ende entgegenschleppen.

„Zurück bleibt ein Achselzucken, ein Lächeln. Es hat nicht gereicht“, schrieb der Guardian melancholisch. Eidur Gudjohnsen und Joe Cole verließen unter Tränen den Rasen, William Gallas fluchte übel um sich, später humpelte Jimmy Hasselbaink auf Krücken durch die Mixed Zone – der Holländer hatte in seiner Wut zu heftig gegen die Kabinenwand getreten.

„Roman ist zu uns in die Kabine gekommen und hat gesagt, dass es das nächste Mal besser wird“, erzählte Ranieri traurig. Mag sein, aber dann wird Mourinho sich die Ideen und Verbesserungsvorschläge des Russen anhören müssen. Gestern wurde bereits konkret über den Vertrag verhandelt. Erst nach dem Finale am 26. Mai wird der Portugiese seinen Wechsel bekannt geben, Zweifel an seinem Engagement gibt es aber keine mehr. „Sogar die Steine wissen, dass Mourinho der neue Trainer ist“, erzählte Adrian Mutus Spielerberater Andrea Pretti. Ranieri bleibt die Aussicht auf eine saftige Entschädigung und ein fußballtypisches Wiedersehen an der Bridge – der Italiener wird im Sommer wahrscheinlich beim Lokalrivalen Tottenham anheuern.

RAPHAEL HONIGSTEIN