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Archiv-Artikel

Georgiens Rosenrevolution, die zweite

Unter dem Druck von Demonstranten und der georgischen Regierung tritt der autoritäre Machthaber der Autonomen Republik Adscharien, Aslan Abaschidse, zurück. Er erhält in Moskau politisches Asyl. Tiflis kündigt baldige Neuwahlen in Adscharien an

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

„Den Mini-Saddam-Hussein haben die Leute selbst vertrieben“, meinte Georgiens Präsident Michail Saakaschwili erleichtert, nachdem der widerspenstige Regionalchef von Adscharien, Aslan Abaschidse, nach Monaten explosiven Taktierens ohne Einsatz von Gewalt am späten Mittwochabend zurücktrat. „Abaschidse ist geflohen, Adscharien ist frei“, triumphierte der 37-Jährige, der Gefallen an Gesten findet, die man im Westen pathetisch nennen würde, und gratulierte den Georgiern zur „zweiten unblutigen Revolution“. Die erste Revolution hatte Saakaschwili im vergangenen November an die Macht gebracht und den alten Präsidenten Eduard Schewardnadse gestürzt.

Ohne Sicherheitsgarantien und gutes Zureden des russischen Unterhändlers Igor Iwanow hätte das Kräftemessen zwischen dem Potentaten des Schwarzmeerfleckens Adscharien und der georgischen Zentralmacht indes noch einige Zeit dauern können. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates Iwanow traf am Mittwoch in Batumi ein und begleitete Aslan Abaschidse wenige Stunden später auf dem Weg ins politische Asyl nach Moskau. Iwanow hatte auch schon Schewardnadse im November in brenzliger Lage noch zum Rücktritt bewegen können.

Georgischen Quellen zufolge hatte Saakaschwili vorher zweimal mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert und ihn gebeten, Abaschidse Asyl zu gewähren. Das russische Außenministerium dementierte indes. Dennoch traf Aslan Abaschidse begleitet von seinem Sohn Georgi, dem Ex-Bürgermeister Batumis, noch am Abend in Moskau ein.

Der autoritäre. aber auch operettenhafte Fürst in Batumi war ein treuer Parteigänger Moskaus seit dem Zerfall der Sowjetunion vor dreizehn Jahren. Eine russische Militärbasis in Adscharien sicherte einerseits die von der Zentralregierung in Tiflis unerwünschte Moskauer Präsenz in der Region und lieferte Abaschidse gleichzeitig Garantien, dass die Zentrale nicht mit Gewalt gegen seine Clanherrschaft vorgehen würde.

Nach dem Rücktritt Abaschidses unterstellte Michail Saakaschwili die Autonome Republik direkt der Präsidialgewalt. Premier Surab Schwania kündigte unterdessen für die allernächste Zukunft Neuwahlen in Adscharien an. „Mit dem Rücktritt Abaschidses beginnt ein neues Leben für Adscharien und Georgien“, meinte Saakaschwili. Der Sturz des Despoten sei der erste im postsowjetischen Raum gelungene Vorstoß, Separatismusbestrebungen friedlich beizulegen.

Abaschidse hatte sich zwar nicht aus dem georgischen Staatsverband gelöst, faktisch der Republik aber ein Eigenleben verordnet. Batumi führte weder Steuern an das Zentrum ab, noch ließ es die Grenze zur Türkei von der Zentralmacht kontrollieren. Adschariens Separatismus war nichts anderes als eine Bereicherungs- und Machterhaltungsstrategie des Abaschidse-Clans.

Insofern trifft Saakaschwilis Separatismusvergleich nicht ganz zu. Er ist aber verständlich und hat System: Georgiens neuer Messias suggeriert dem Volk, dass er auch die anderen abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien in den Staatsverband heimholen werde. In einem Bürgerkrieg sagte sich das von Muslimen bewohnte Abchasien 1992 vom Mutterland los. 250.000 Georgier verloren ihre Heimat und fristen seither ein erbärmliches Flüchtlingsdasein in Georgien. Auch in Südossetien führte ein aggressiver Nationalismus der georgischen Zentralgewalt Anfang der 90er zu blutigen Exzessen.

Beide Konflikte nutzte Moskau bisher, um die Konsolidierung des jungen unabhängigen Staates zu unterminieren. Seit der Wahl Saakaschwilis, der im Januar von über 90 Prozent der Bevölkerung zum Präsidenten gekürt wurde, schöpfen die Georgier wieder Hoffnung auf ein besseres Leben. Letztlich wird Saakaschwili daran gemessen, ob er es schafft, die Wirtschaft zu sanieren und die Einheit des Landes wiederherzustellen. Adscharien war ein erster Schritt und ein großer Erfolg. Die anderen sezessionistischen Republiken lassen sich nicht mit Druck und Gewalt in den Staatsverband eingliedern. Sie kehren frühestens zurück, wenn Tiflis mit einer florierenden Wirtschaft lockt. Doch dahin ist es noch weit.

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