Schach – der Grundschule

Zwei Gruppen der Grundschule Baumschulenweg fahren an diesem Wochenende nach Greifswald zu den Schach-Meisterschaften der deutschen Grundschulen. Das alte Denk-Spiel gilt als ein Hobby in der Grundschulpädagogik – an 20 Grundschulen werden Arbeitsgruppen angeboten

In der „Kreativschule“ in Leipzig, einer privaten Reformschule, ist Schach ganz selbstverständlich ein Unterrichtsfach für alle. Genauso wie Arabisch. Warum? Das ist für die Schulgründer Gerlinde und Hans-Georg Mehlhorn, Pädagogen aus der DDR-Tradition, keine Frage: Neue Anforderungen schulen das Denken. Ralf Pfeifferling, Betreuer in der Verlässlichen Grundschule und seit Jahren ehrenamtlicher Schach-Lehrer am Baumschulenweg, sieht das genauso: „Wir wollen das auch.“ Aber Geld gibt es dafür nicht im Bremer Bildungssystem, das Angebot „Schach“ ist ein unverbindliches, zusätzliches Angebot. Immerhin gibt es das an etwa 20 Grundschulen.

1997 hat Pfeifferling angefangen am Baumschulenweg. Selbstverständlich in der ersten Klasse. An diesem Wochenende fährt er nach einer erstklassigen Vorstellung seiner Schüler mit zwei Gruppen nach Greifswald zu den deutschen Schach-Meisterschaften für Grundschüler. Denn als Mitte April die Bremer Schach-Wettkämpfe der Grundschulen ausgetragen wurden, da landete „Baumschulenweg 1“ auf dem ersten Platz „Baumschulenweg 3“ auf dem zweiten Platz. Worauf Pfeifferling besonders stolz ist: In der zweiten Siegermannschaft sind Kinder aus der ersten und zweiten Klasse. Gewonnen haben sie gegen 31 andere Mannschaften, die sich überwiegend aus den „Älteren“, also den Vierklässlern zusammensetzen. Denn wenn es Schach gibt in den Betreuungszeiten der Grundschule, dann eben vorzugsweise für die „Größeren“. Die in der ersten Klasse sind dafür „zu klein“, lautet das gängige Urteil.

Aber muss man lesen können, um die Schachregeln zu lernen? Keineswegs, sagt Pfeifferling. Die Kinder sind meist findiger als die Erwachsenen denken. Entscheidend ist es, ihnen Spaß und Ehrgeiz zu vermitteln. Lehrbücher gibt es dafür nicht. Aber am Baumschulenweg funktioniert es mit großem Erfolg, da kriegen die „Kleinen“ inzwischen von ihren älteren Geschwistern sogar schon vor dem ersten Schultag gesagt, dass die Beteiligung an der Schach-AG Ehrensache ist. Und Pfeifferling weiß: „Wer in Schach gut ist, ist auch in Mathe gut.“

Während die Gruppen vom Baumschulenweg insgesamt sechs der ersten zehn Plätze beim Bremer Grundschul-Wettbewerb belegten, kam etwa die Gruppe der Stichnathstraße nur auf Platz 15. Immerhin gibt es da eine Schach-AG, seit einem Jahr, damit ist diese Schule schon etwas Besonderes. Axel Reeh, pensionierter Bankdirektor, hatte dazu die Idee, erzählt er, ein bisschen auch im Rahmen der Nachwuchsarbeit für seine „Schachgesellschaft“. Nach dem Pisa-Debakel wollte er etwas für die Kinder tun und bot Willi Lemke in einem Brief ein Konzept und zwei Dutzend ehrenamtliche Mitstreiter von der Schachgesellschaft an. (www.bremersg.de). Er selbst hat sich nicht gerade die einfachste Aufgabe ausgesucht und fährt jeden Freitag mittags nach Obervieland in die Stichnathschule. Shadi spielt da, als einziges Mädchen - eine Iranerin. „Schach macht Spaß“, sagt sie. Und Hoang-Viet aus Vietnam ergänzt: „Dann muss man nicht vor dem Fernseher sitzen.“ Auch deutsche Kinder sind in der Arbeitsgruppe, klar.

Die Regeln beherrschen die Kinder schnell, sagt Axel Reeh, entscheidend ist dann, dass die Kinder sich konzentrieren lernen. Beim Bremer Landeswettbewerb der Grundschüler mussten die Acht- bis Zehnjährigen über vier oder fünf Partien an einem Vormittag durchhalten. Dass sind Anforderungen, die es sonst an Grundschulen nicht gibt. Aber das ist noch nicht alles: „Das Planen eines Schachzuges ist eine typisch anspruchsvolle Aufgabe für das Arbeitsgedächtnis“, sagen die Wissenschaftler. Und nur wenn das trainiert wird, kann sich das Gehirn entwickeln.

„Ich wünschte mir, dass auch sich mehr in der Grundschule engagieren würden“, sagt Reeh. Eben nicht nur die Lehrer. Längst nicht jede kann im Rahmen der „Verlässlichen Grundschule“ eine Schach-AG anbieten, es fehlen die ehrenamtlichen „Lehrer“. Zeit genug wäre da, auch für die unterschiedlichsten anderen Angebote. Klaus Wolschner