: Die Erde ist eine Scheibe
Ein Globetrotter mit Geschäftssinn: Der amerikanische Selfmade-Unternehmer Dan Storper hat seine Firma Putumayo innerhalb von zehn Jahren zum erfolgreichsten Weltmusiklabel seiner Art aufgebaut
Von DANIEL BAX
Früher einmal galt die simple Faustregel: Wer eine gelungene Party haben will, der muss jemanden an die Plattenteller stellen, der von Musik erklärtermaßen nichts versteht. Einen ausgewiesenen Musikkenner als DJ zu engagieren, hätte bedeutet, dass dieser mit ausgefallenen Stücken aus seinem Plattenschrank zu glänzen versucht, während die Stimmung garantiert in den Keller sinkt. Der Laie dagegen trifft mit seinem Middle-of-the-Road Geschmack schnell den kleinsten gemeinsamen Nenner jeder Partygesellschaft.
So ähnlich verhält es sich mit CD-Compilations. Nicht anders ist es zu erklären, warum die Plattenfirma Putumayo innerhalb von zehn Jahren zum erfolgreichsten Weltmusiklabel ihrer Art aufsteigen konnte. Die Putumayo-Sampler, die meist bestimmten Themen folgen und mal „Music from the Coffee Lands“, mal „Sahara Lounge“ heißen, zählen stets zu den Bestsellern im Weltmusikfach.
Mit gutem Grund: Denn die bunten Sampler besitzen nicht den enzyklopädischen Anspruch, einen bestimmten Stil oder die Musik einer Region abzubilden – ein Anspruch, an dem so viele andere Weltmusiksampler kranken. Sie sind vor allem auf durchgängige Hörbarkeit angelegt – man könnte auch sagen: auf leichte Konsumierbarkeit.
Bei Kritikern berüchtigt sind die kitschigen CD-Cover, die stets im Stil naiver Malerei gestaltet sind, und die auf einen ebenso naiven Folklorismus in der Musikauswahl schließen lassen. Doch auch Kritiker zollen Putumayo dafür Respekt, dass die informativen Booklets viel Hintergrund liefern und sich auf den Compilations immer wieder überraschende Stücke finden.
Es ist ja beileibe kein Vorurteil, dass sich besonders viele Menschen für den exotischen Charme der Weltmusik erwärmen, die sonst wenig aktuelle Musik hören. Diese potenziellen Kunden, die sich schon lange nicht mehr in ein CD-Geschäft trauen, weil sie komplett die Übersicht über neue Trends verloren haben, gelten im Marketing-Sprech der Musikindustrie als „Schläfer“.
Putumayo-Chef Dan Storper hat sie aufgeweckt. Wenn der Kunde nicht mehr in die Plattenläden geht, dann muss die Musik eben zu ihm kommen, hat er sich gedacht: Darum finden sich die Verkaufstände für seine CD’s nicht nur im klassischen Fachhandel. Sondern auch in Museumsshops, in Dritte-Welt-Läden und im Naturkostgeschäft, in Restaurants, Cafés und Einrichtungshäusern. Auf diesem Weg erzielt Putumayo einen wachsenden Teil seines Umsatzes.
Firmengründer Dan Storper, der am liebsten wie ein typischer Tourist in kurzen Hosen durch die Welt läuft, ist ein Selfmademan wie er im Buche steht.
Aufgewachsen vor den Toren von New York, reiste er nach seinem Studium der Lateinamerikanistik in den Siebzigerjahren zunächst in Südamerika umher, später dann vorzugsweise nach Afghanistan, Indien und Südostasien. In Kolumbien, am Ufer des malerischen Putumayo-Flusses, kam ihm die Eingebung, wie er sich seine Reisen fortan finanzieren könnte: mit einem Import-Export-Geschäft.
Mit Körben aus dem Dschungel und Ponchos aus den Anden eröffnete Dan Storper im Juni 1975 in New York seinen ersten Putumayo-Store. Es folgten sieben Filialen mit Kunsthandwerk aus aller Welt, bis er seine Ladenkette ein paar Jahre später meistbietend verkaufte. Ab 1982 stellte er Damenbekleidung, die er auf Reisen in Indien, Afghanistan und Indonesien hatte schneidern lassen, in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten.
Auf der Suche nach geeigneter Musik für seinen Laden begann Dan Storper, eigene Kassetten aufzunehmen, mit melodischen Klängen aus der ganzen Welt. Schon sein erstes Mix-Tape erwies sich als richtiger Hit – alle paar Minuten fragte ein Kunde nach den Songs. Dan Storper erkannte die Marktlücke, und so war die Idee zur Plattenfirma Putumayo geboren. „Ich hatte Glück, in das Geschäft einzusteigen, als Ethnisches gerade in Mode kam“, meint Dan Storper. „Heute ist das eine richtige Industrie geworden“.
Das gilt auch für die Weltmusik. In diesem Genre ist Putumayo inzwischen ein echter Global Player. Mit dem Firmensitz in New York und einer Außenstelle in Amsterdam vertreibt Dan Storper seine bunten Scheiben inzwischen in über 30 Ländern der Erde. Noch immer wählt er persönlich die Schwerpunktthemen aus und behält sich bei der Auswahl der Songs das letzte Wort vor. Doch bei der Recherche helfen ihm seine Mitarbeiter, und über die endgültige Mischung entscheiden Listening-Sessions mit ausgewählten Kandidaten, die quer durch alle Altersstufen und ethnische Gruppen ausgesucht werden.
Früher reiste Dan Storper noch selbst in entlegenste Gebiete, um dort auf eingängige Songs zu stoßen. Heute kommen die meisten seiner Entdeckungen per Post zu ihm. Dafür hat sich sein Aktionsradius erweitert: So produziert Dan Storper seit sechs Jahren in San Francisco eine monatliche Radioshow, die – an andere Stationen verkauft – in fünfzehn verschiedene Länder übertragen wird. Nun bereitet er eine DVD-Serie vor.
Keine Frage: Putumayo ist im kleinen Weltmusik-Business inzwischen ein richtiger Multi – aber er präsentiert sich als Multi mit gutem Gewissen: Ein Teil der Erlöse jeder CD kommt stets einer Non-Profit-Organisation zugute, die sich in der Region engagiert, aus der die Musik stammt.
Das kann inzwischen auch die Putumayo-Region in Kolumbien sein. Denn auch dort, im einstigen Naturparadies, haben sich die Zeiten geändert. „Heute herrscht dort Bürgerkrieg zwischen der Guerilla und Regierung, und die Gegend ist von Terror und Drogenhandel gezeichnet“, weiß Dan Storper.
Exotische Tropenidyllen, unberührt von den Plagen der modernen Welt, gibt es eben nur noch auf seinen Putumayo-CD’s zu kaufen.
Katalog unter: www.putumayo.com Vertrieb in Deutschland: www.exil.de