: Einblick (4)
Joanna KammGaleristin
taz: Seit wann und warum leben Sie in Berlin? Joanna Kamm: Ich lebe seit 1989 in Berlin, das heißt, ich bin kurz vor dem Mauerfall in die Stadt gekommen. In den letzten 14 Jahren war die Stadt in permanenter Veränderung und hat Raum für Lebensmodelle gegeben, die in anderen deutschen Städten kaum möglich waren. Es ist keine schöne Stadt, aber voller Kontraste, und das schätze ich an Berlin. Die Veränderungen nehmen ab, die Stadt wird statischer.
Wie wichtig ist der Standort Berlin für Ihre Arbeit?
Der Standort war für mich Voraussetzung, um überhaupt die Galerie aufbauen zu können. Die offene Situation in Berlin bot viele Möglichkeiten, etwas Eigenes aufzubauen, die Strukturen waren nicht vorhanden und von aller Welt richtete sich die Aufmerksamkeit auf Berlin. Inzwischen ist der Standort Berlin nicht mehr so entscheidend, man kommuniziert mit Menschen aus allen Teilen der Welt. Aber die Menschen hören es immer noch gerne, dass man aus Berlin kommt.
Woran arbeiten Sie gerade? Ich bereite eine Gruppenausstellung vor, die ich im Herbst in der Galerie zeigen werde. Sie trägt den Titel „Korrekturen“ und thematisiert die Beziehung von Zeichnung und Sprache bzw. Text. Die eingeladenen Künstler Edgar Arceneaux, Fiona Banner, Pavel Pepperstein, Albrecht Schäfer, Frances Stark, Michael Stevenson und Stephanie Taylor verwenden unterschiedliche Ansätze und Methoden. Linguistische Strategien oder Texte können die Grundlage der visuellen Umsetzung sein, ein formaler Ansatz, Ausgangspunkt für neue Erzählstränge oder integraler Bestandteil der Zeichnung an sich sein. Dabei stehen die Künstler mit ihren Untersuchungen von Bild-Text-Relationen in der Tradition konzeptueller Kunst.
Was verwundert Sie in der Berliner Kunstlandschaft denn am meisten?Es leben viele Künstler hier und es gibt sehr gute Galerien, aber wir haben viel zu wenig gute Institutionen, die wichtige Ausstellungen zeigen und die künstlerischen Positionen aus den Galerien heraus in einem anderen Kontext präsentieren. Für mich zählt das Argument des Geldmangels nicht, da in anderen Städten mit viel Fantasie die Energien gebündelt werden.