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Archiv-Artikel

Skandal bei Preisverleihung in Israel

Der Musiker Daniel Barenboim verurteilt die israelische Besatzung. Israels Präsident Katzaw fordert Konsequenzen

JERUSALEM taz ■ Ohne Skandal scheint es nicht zu gehen, wenn Daniel Barenboim nach Israel reist. Der 62-Jährige sorgte am Sonntagabend in Jerusalem bei der Preisverleihung der Wolf-Stiftung für Aufruhr, als er in seiner Rede die „Kluft zwischen der Idee und den Realitäten Israels“ anklagte. „Passt die Voraussetzung der Besatzung und der Herrschaft über ein anderes Volk zur Unabhängigkeitserklärung?“, fragte er, und: „Kann die Unabhängigkeit des einen auf Kosten der Grundrechte eines anderen Sinn machen?“

Große Teile des Publikums applaudierten dem Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper. Israels Präsident Mosche Katzaw forderte hingegen Konsequenzen für die „unpassenden“ Worte des Musikers. Kaum hatte er mit der Mahnung, dass es „keine militärische Lösung für den jüdisch-arabischen Konflikt geben wird“, seine Rede beendet, trat Erziehungsministerin Limor Livnat ans Mikrofon, um gegen den Preisträger zu protestieren: „Ich hatte gehofft, dass wir die Zeremonie auf zivilisierte Weise abhalten können.“

Die Vorsitzenden der Wolf-Stiftung, die einmal jährlich Wissenschaftler und Künstler für ihren „Beitrag für die Menschheit“ auszeichnet, zeigte sich „betroffen, dass Barenboim diese Bühne auswählte, um den Staat Israel anzugreifen“. Jury-Mitglied Menachem Alexenberg hatte schon während der Ansprache ein Schild mit der Aufschrift „Musik macht frei“ hoch gehoben – in Anlehnung an das Schild im Vernichtungslager Auschwitz: „Arbeit macht frei“.

Alexenberg, der „das Kunstwerk“ vor drei Jahren anfertigte, nachdem Barenboim entgegen Absprachen mit den israelischen Veranstaltern die Ouvertüre einer Wagner-Oper anstimmen ließ, wollte ihm das Schild persönlich übergeben, zog es dann jedoch vor, „sofort auf die Rede zu reagieren“. Barenboim habe die „Bühne gestohlen, um den Staat anzuschwärzen“, sagte er. Ungeteiltes Lob erreichte den Pianisten für sein Konzert. „Die erregende Perfektion macht den Zuhörer weinen“, schrieb die Tageszeitung Yediot Achronot über Barenboims Interpretation einiger Beethoven-Sonaten. In der vergangenen Woche hatte er in Ramallah mit palästinensischen Musikern ein Konzert in Gedenken an den palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said gegeben. Barenboim teilte sich die 100.000 Dollar Preisgeld mit dem französischen Musiker Mstislaw Rostropowisch. Er kündigte an, das Geld für die Musikerziehung in Israel und den palästinensischen Gebieten zu stiften. SUSANNE KNAUL