: Guter Beirat ist teuer
Ab Herbst soll der Landesbeirat für Integration und Migration arbeiten. Bisher ist umstritten, welche Migrantenvertreter darin sitzen sollen. Zu Beginn der Verhandlungen eine Beirats-Charakteristik
von SUSANNE LANG
Kaum hatte der Senat Ende April beschlossen, in Berlin einen Landesbeirat für Integration und Migration einzurichten, stand die neue Institution bereits in der Kritik. Besonders umstritten war, welche Communitys die insgesamt sechs Vertreter aus Migrantengruppen stellen sollen und wie sie bestimmt werden.
Heftigen Unmut erregte die Vorgabe von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS), wonach der Verband der Vertriebenen einen Vertreter der Spätaussiedler bestimmen solle. Dieser Konflikt scheint laut dem Migrationsbeauftragten Günter Piening gelöst (siehe Interview) – doch das Projekt Landesbeirat beginnt gerade erst.
So soll er aussehen
Für Piening steht der Beirat an der „Schnittstelle“ zwischen Politik, Migrantengruppen und großen gesellschaftlichen Verbänden – Wirtschaft und Gewerkschaften ebenso wie Kirchen oder Flüchtlingsrat.
Getrennt wird grundsätzlich zwischen gesellschaftlichen Gruppen und staatlichen Organisationen. Letztere sind in Form von drei Bezirksmitgliedern sowie sechs Staatssekretären relevanter Senatsverwaltungen Bildung, Inneres, Justiz, Wissenschaft, Wirtschaft und Stadtentwicklung vertreten.
Aus jedem der gesellschaftlichen Bereiche werden Vertreter in den Beirat gesandt, größtenteils von den Institutionen selbst bestimmt. Benannt werden jeweils ein Vertreter sowie ein Stellvertreter.
Die Migrantengruppen bilden eine Ausnahme. Sie bestimmen ihre insgesamt sechs Vertreter in einem Wahlverfahren. Eine Wahlperiode für die Vertreter dauert zwei Jahre.
So soll er nicht aussehen
Sechs Vertreter aus 180 Gruppen – für Irene Runge vom Jüdischen Kulturverein liegt hier prinzipiell ein Problem bei der Wahl der Migrantenvertreter begründet. Zumindest, wenn die Bestimmung nach dem Kriterium der Herkunftsregion erfolge. „Ich glaube, man muss inhaltlich auswählen, nach Expertenwissen und praktischem Bezug zu den Problemen“, meint Runge.
Die Vorsitzende des Kulturvereins hat gemeinsam mit Bezirks- und Migrantenvertretern sowie der Landesarbeitsgemeinschaft Migration der PDS (LAG) eine Liste erarbeitet, die sechs Vertreter nach ihren Kriterien vorschlägt. „Sie ist nicht eins zu eins umsetzbar“, so Runge. Sie solle vielmehr zu einem Umdenken provozieren. Wie eine gute Kandidatin ihrer Meinung nach aussehen könnte, zeigt der Vorschlag für die afrikanische Community. Manal Seifeldin, Diplomökonomin, im Sudan geboren, Mitglied in mehreren afrikanischen Vereinen in Berlin. „Sie hat das Vertrauen mehrerer Organisationen und Fachwissen“, erklärt Runge.
Mit Seifeldin ist zusätzlich eine andere Wunschvorstellung erfüllt, die auch der Vorsitzende der PDS Arbeitsgemeinschaft, Giyasettin Sayan, an den Beirat stellt. „50 Prozent der Mitglieder sollten Frauen sein“, meint Sayan. Fachkompetenz hat für den Migrationspolitiker ebenfalls große Bedeutung, eine bestimmte Verteilung der Vertreter nach Herkunftsregionen will er jedoch berücksichtigt wissen. „Eine gewisse Milieukompetenz muss gewährleistet sein“, so Sayan.
Aufseiten des polnischen Sozialrates sorgt man sich hingegen mehr um die Vertretung der Aussiedlerverbände. In einem offenen Brief an Senatorin Knake-Werner bekundet er Befremden über „die Annahme, der Bund der Vertriebenen sei a priori als Interessenvertreter der in Berlin lebenden Aussiedler zu benennen“. Dies halte man für „inhaltlich unzutreffend und politisch unangemessen“.
So soll er arbeiten
Integration als Querschnittsaufgabe und ressortübergreifende Vernetzung – so lauten die Stichworte für die Arbeit des Beirats.
Seine Aufgabe soll laut Senatsbeschluss sein, migrationspolitische Themen zu beraten, darüber zu informieren sowie Empfehlungen zu erarbeiten und an den Senat weiterzuleiten. Weisungsbefugt ist der Beirat allerdings nicht. Welches Standing er sich erarbeiten wird, hängt zunächst auch davon ab, ob und wie schnell sich die Migrantengruppen auf ihre Vertreter einigen können.