Besuch beim Bundespräsidenten

Irene Appiah ist am Dienstag ins Schloss Bellevue eingeladen – zum Neujahrsempfang von Horst Köhler. Nun fragt sich die Tochter ghanaischer Einwanderer aus Billstedt: „Wie kommen die auf mich?“

Jura wollte Irene Appiah wirklich nicht studieren. „Wie alle Mädchen wollte ich in die Musikbranche“, sagt sie und lehnt sich in dem Sessel zurück, der ihrer Chefin, einer Rechtsanwältin gehört. Mit 15 wurde Irene Appiah als Backgroundsängerin- und -tänzerin gecastet, kam dann mit der Hamburger Dancefloor-Gruppe Fun Factory in die Charts. „Ich bin durch die Weltgeschichte gereist und habe relativ gut verdient“, was sie nicht daran hinderte, an der Gesamtschule in Horn mit 18 Abitur zu machen.

Appiah, Tochter ghanaischer Einwanderer aus Billstedt und inzwischen 32 Jahre alt, fährt am Montag nach Berlin, um am Dienstag rechtzeitig im Schloss Bellevue zu sein, beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten. Sie ist dort eine von vier Hamburgerinnen, „die sich für das Gemeinwohl besonders engagiert haben“, wie es in der Einladung heißt. „Mal sehen, wie das wird“, sagt sie. Etwas aufgeregt ist sie schon.

Und sie stellt sich Fragen: „Wie kommen die auf mich?“ Appiah hat den Hamburger Verein „Bildung ohne Grenzen“ mitbegründet, zusammen mit der Rechtsanwältin, in deren Büro sie gerade sitzt. Der Verein biete Kurse für Migrantenkinder an. Ziel sei es, das Selbstbewusstsein zu fördern, sagt Appiah. „Wenn du was wirklich willst, dann schaffst du das auch.“

Der Verein hat in Hamburg prominente Unterstützer, der Rapper Sammy Deluxe etwa gehört dazu, aber ob der Bundespräsident das weiß? Appiah vermutet, dass es eher ihr Auftritt als „erfolgreiche Migrantin“ in Hamburger Schulen war, in einem Projekt unter der Schirmherrschaft von Ole von Beust. Appiah, inzwischen doch Jurastudentin geworden, saß plötzlich Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 gegenüber und war die Vorzeigemigrantin, die etwas erzählen sollte. „Das war gar nicht so einfach“, sie kichert.

Sie habe noch nie das Gefühl gehabt, einen Job nicht zu kriegen, weil sie schwarz sei, sagt Appiah. Sie hat ein Studium angefangen und wieder abgebrochen, eine Bookingagentur aufgemacht, ist nach Berlin gegangen und nach Hamburg zurückgezogen. Vor fünf Jahren wurde sie Mutter, „aber ich wusste, dass mich das nicht daran hindern würde, mein Studium durchzuziehen.“

Am Ende erzählt Irene Appiah, dass sie nebenbei eine Gesangsgruppe manage, sie buchstabiert den Namen: „Champain“. Eigentlich sei Jura gar nicht so schlecht, man brauche es wegen der Musikerverträge. „Entertainment Law“ heiße das in den USA. Darauf wolle sie sich spezialisieren. DANIEL WIESE