Schlapphüte auf Feindessuche

Verfassungsschutz in Niedersachsen will mehr islamistische Terroristen beobachten, die er im Land aber nicht findet. Die Grüne meinen, das Amt unterschätze die rechte Gefahr

Hannover taz ■ Auf einem „strategischen Holzweg“ sehen die Grünen die Arbeit des niedersächischen Verfassungsschutzes (VS). Aus dem gestern vorgestellten VS-Bericht für 2003 sei „nicht erkennbar, dass sich die Arbeit des Amtes an den richtigen Gefahrenpotenzialen orientiert“, sagte der innenpolitische Sprecher Hans-Albert Lennartz. Nach wie vor bleibe unklar, von welchen Bedrohungen und welchen Erfolgen im Kampf gegen den „islamistischen Terror“ ausgegangen werden kann. Klar sei jedoch, dass die Landesbehörden die vom Rechtsextremismus ausgehenden Gefahren unterschätzen.

Das sieht Innenminister Uwe Schünemann (CDU) anders: Zum ersten Mal seit Mitte der 90er Jahre sei die Zahl der Rechtsextremen im Land um 340 auf 3.190 zurückgegangen, sagte er gestern. Auch die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten sei laut VS-Bericht im Vergleich zum Vorjahr um über 100 auf 1.200 gesunken. Das Finanzministerium bestätigte, dass die Zuschüsse für das bei der Landeszenrale für politische Bildung angesiedelte „Aktionsbündnis gegen Rechts“ in diesem Jahr um fast 50 Prozent oder 320.000 Euro gekürzt worden waren (taz 10.5.). Schünemann hatte bestritten, dass Mittel gegen Rechts gekürzt würden.

Niedersachsens Schlapphüte konzentrieren sich derzeit offensichtlich auf das Aufspüren von terroristischen „Schläfern“. Niedersachsen sei „nicht von islamistischem Terror berührt“, sagte Schünemann. Es gebe aber im Land weiterhin 5.700 Anhänger extremistischer Ideologien und „Kontakte zu Personen mit islamistischem Hintergrund“ aus dem Raum um Hamburg. Die Zahl der Straftaten ausländischer Extremisten stieg 2003 stark an: 2002 wurden 55 Delikte gemeldet, 2003 bereits 190. Der Anstieg ist jedoch vor allem auf das Verbot des islamischen „Kalifatstaat“ zurückzuführen. Danach durchsuchte die Polizei allein in Niedersachsen Wohnungen von 136 Abonnenten der Kalifatstaats-Zeitung „Beklenen Asr-I Saadet“. Ein Großteil der 20 neuen Mitarbeiter, die dieses Jahr zum VS kämen, würden sich mit Ausländerextremismus beschäftigen, sagte VS-Präsident Volker Homuth. Von den derzeit 220 Mitarbeitern der Behörde sprächen zwei arabisch und drei türkisch. ksc