Minister Schlauch steht voll im Saft

Kürzung beim Arbeitslosengeld, steigende Belastung der Patienten, dafür aber weniger Unternehmensteuern, weniger Kündigungsschutz – so beschreibt Rezzo Schlauch vor der Pariser Handelskammer die rot-grüne Erfolgsstory

aus Paris DOROTHEA HAHN

In Berlin ist Rezzo Schlauch bloß Staatssekretär. In Paris nennen sie ihn „Monsieur le Ministre“. Als säße er an der Spitze des Wirtschaftsministeriums. Der Grüne im schwarzen Dreiteiler sitzt breitbeinig auf der Bühne – zu seinen Füßen lauschen hunderte französische Mittelständler. Schlauch will sie zu Investitionen in Deutschland überreden.

Für den Standort Deutschland sprechen viele Argumente. Bevor Schlauch sie für sein französisches Publikum auspackt, drischt er ein wenig auf die Journalisten ein. „Die schreiben die Realität schwarz.“ Sein Gastgeber – zugleich Moderator – in der Pariser Handelskammer stellt fest: „Ich sehe, Sie haben dasselbe Problem mit Medien wie wir.“

Tatsächlich stehe es gar nicht schlecht um die deutsche Wirtschaft, sagt Schlauch. Sie biete „moderate Wachstumsvoraussetzungen“, eine niedrige Inflationsrate, einen großen Markt und viel Erfahrung im Exportgeschäft sowie gut ausgebildete Arbeitskräfte. Vor allem aber rot-grüne Reformen: Seine Regierung habe zu einem günstigen Investitionsklima im Land beigetragen. Dank der rot-grünen Regierung seien die Unternehmensteuern im internationalen Vergleich „nicht sehr hoch“. Dank Rot-Grün könnten zusätzliche 400-Euro-Minijobs geschaffen werden. Dank Rot-Grün werde die Zeit, in der Arbeitslose finanziell unterstützt werden, radikal reduziert. Dank Rot-Grün würden die Beitragszahlungen der Krankenkassen gesenkt. Demnächst. Der Kündigungsschutz werde gelockert. Der Ladenschluss sowieso. Schlauch: „Das ist ein Anreiz für kleine Unternehmen, mehr Personal einzustellen. In Krisenzeiten können sie leichter entlassen.“

Dem französischen Publikum ist ein ähnliches Vorgehen von der eigenen, konservativen, Regierung bekannt. Ob es denn in Deutschland keine Widerstände gegen diese „Modernisierungen“ gebe, wundert sich jemand. Schlauch entgegnet, tatsächlich gebe es einen Streik in der Metallindustrie in Ostdeutschland. Aber: „Wir bemühen uns, ihn so schnell wie möglich zu beenden.“ Die deutschen Gewerkschaften teilt er für sein Publikum in „modernisierungsbereite“ und andere ein. Letztere hätten „noch nicht verstanden, dass sich die Arbeitswelt grundsätzlich verändert hat“. Für die Zukunft gelte es, „verbindliche Flächentarfiverträge flexibel zu handhaben“. Und seine Regierung plane noch mehr „mutige Reformen“. Das Publikum versteht.

Eine Sorge der französischen Unternehmer ist der europäischen Osten. Ob die östliche Konkurrenz Deutschland nicht schwer zu schaffen machen werde? Schlauch antwortet knapp und zuversichtlich: „Die Osterweiterung der EU ist keine Gefahr, sondern eine Chance für das Wachstum der ostdeutschen Länder.“ Auch die deutsche Alterspyramide interessiert das Publikum. Schlauch trägt ein Konzept vor, wie es gelegentlich auch aus dem französischen Unternehmerverband verlautet: „eine pragmatische Zuwanderungspolitik“.

Ein klein bisschen bissig wird der Obergrüne, als ihn ein Zuhörer auf das schlechte Abschneiden des deutschen Bildungswesens im internationalen Vergleich anspricht. Die Pisa-Ergebnisse für Deutschland würfen doch Fragen auf: „Ist Deutschland vielleicht ein grünes Schlaffiland geworden?“ „Monsieur le Ministre“ antwortet: „Ich stehe voll im Saft.“