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Archiv-Artikel

Schachbrett Tschetschenien

betr.: „Tödliches Attentat in Tschetschenien“, „Eine Bombe tötet den tschetschenischen Präsidenten – und trifft damit Russland“ (Kommentar), taz vom 10. 5. 04

Tschetschenien heißt das Schachbrett des russischen Präsidenten Putin. Doch dies ist ein ganz spezielles Spiel, man spielt nicht mit Figuren, sondern mit Menschen. Am schlimmsten trifft es meistens die „kleinen“ Bauern, also in der Realität die Zivilbevölkerung.

Nun hat der Gegner gerade seinen tschetschenischen Läufer – den amtierenden Präsidenten Ahmed Kadyrow ermordet – und Putin plant schon massive Gegenmaßnahmen. Das Schachspiel des Todes in Tschetschenien geht also weiter wie bisher. Während der Stratege im Kreml seine Figuren neu aufstellt und die Spielregeln in diesem ungleichen Spiel festlegt, geht die blutige Geschichte in Tschetschenien weiter. Die russische Armee gegen den angeblichen Terrorismus. Will heißen, vor allem gegen die Zivilbevölkerung, weil die wirklichen Terroristen darunter nicht allzu einfach zu finden sind.

Russland wird einen neuen Statthalter in Tschetschenien einsetzen, und dieser wird wahrscheinlich wieder verhasst und das Ziel der Terroristen sein. Nur halbherzig sind die Proteste des Westens gegen ihren angeblichen Freund Putin. Aus Freiheitskämpfern werden Terroristen und umgekehrt, ist alles nur eine Frage der Sichtweise.PASCAL MERZ, Gansenbach (Littau), Schweiz

Ich bin begeistert von Ihrem Kommentar über das Vorgehen der Russen in Tschetschenien. Genau das ist der Ton, mit dem die dortigen Ereignisse kommentiert werden müssen, um eindringlich klar zu machen, was dort an Verbrechen begangen wird. An Ihren Ausführungen kann sich ein Teil der deutschen Presse ein Beispiel nehmen. Was man sonst zu diesem Thema an ängstlich verklausulierten Formulierungen, fast schon Verdrehungen, um den Russen nicht wehzutun, über sich ergehen lassen muss, überschreitet die Grenze des Erträglichen. Wozu der Kotau vor Putin und seine Dienern?

MICHAEL KANNO, Berlin

Saakaschwili weiß genau, dass Georgien niemals in die Nato kommen wird. Seine US-Auftraggeber drängen ihn gleichwohl, die Aufnahme zu beantragen: Dadurch wird Russland derart provoziert, dass es den eigentlichen Zielen der USA eher gewogen wird, nämlich: Die USA wollen ein zweigeteiltes Georgien: Sie selbst beanspruchen den Südteil, soweit dort die Pipeline von Baku beziehungsweise vom Kaspischen Meer nach der Türkei verläuft, sowie Adscharien und überhaupt einen Teil der Schwarzmeerküste Georgiens.

Den Norden Georgiens treten die USA dann gerne an die Russen ab, also Abchasien und Südossetien und den übrigen Norden, der dann für die nächsten Jahrzehnte als Operationsbasis gegen Tschetschenien dienen kann und als Abschirmung des russischen Südens gegen Südkaukasien. Der Nordteil Georgiens wird dann von separatistischen „Warlords“ wie den selbst ernannten Präsidenten von Abchasien und Südossetien „regiert“, der Südteil von ebensolchen separatistischen Warlords. Übrigens: Die Besatzer, Russen eben, haben bei ihrem Machtantritt am 1. Januar 1801 den jahrtausendalten Namen Tbilissi („An den warmen Quellen“) mutwillig versimpelt und in Tiflis umgewandelt. GÜNTHER HEIPP, Saarbrücken