Wertpapiere für Klimagase

Der Handel mit Emissionsrechten wird ein breites Spektrum von Finanzprodukten hervorbringen. Die Leipziger Strombörse EEX positioniert sich bereits. „Vom Charakter her ist das Emissionsrecht ein Wertpapier“, also auch ein Spekulationsobjekt

VON BERNWARD JANZING

Die Börsennachrichten werden in Zukunft um ein Segment reicher. Schon in wenigen Jahren werden die Zeitungen und Fernsehsender zwischen Öl- und Goldpreisen, Aktien- und Rentennotierungen auch jeweils vermelden, was gerade der Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid kostet. Und dabei wird es nicht nur um die schlichten Emissionen gehen, sondern vermutlich auch um alle denkbaren Formen von Finanzderivaten.

„Vom Charakter her ist das Emissionsrecht ein Wertpapier“, sagt Armin Sandhövel, Leiter Corporate Sustainability bei der Dresdner Bank. Entsprechend liege auch die Entwicklung abgeleiteter Kapitalmarktprodukte nahe – so werde es im Marktsegment der Emissionszertifikate vermutlich schon in wenigen Jahren neben einem Spotmarkt auch vielfältige Futures, Swaps und Optionen geben. Dadurch, erwartet der Banker, eröffneten sich auch den Finanzdienstleistern „interessante Produktfelder“.

Diese optimistische Einschätzung teilen auch andere Vertreter der Branche. Der Emissionshandel, heißt es etwa bei der Deutsche Bank Research, werde zwar in der Anfangsphase bei geringen Umsätzen noch ein „relativ riskantes Geschäft“ sein, doch werde er „mittelfristig potenziell sehr lukrativ“. Schließlich sei im Segment Treibhausgase im Jahre 2008 weltweit mit einem Handelsvolumen von 60 Milliarden Dollar zu rechnen.

Aus der Vielfalt der Kapitalmarktprodukte ergibt sich ein breites Spektrum an potenziellen Handelspartnern. Die Deutsche Bank Research schlussfolgert bereits, dass Treibhausgase auch „als potenzielle Spekulationsobjekte betrachtet“ werden könnten. Denn es werden in einem funktionierenden Markt nicht nur jene Firmen kaufen und verkaufen, die selbst Emissionsrechte benötigen beziehungsweise im Übermaß verfügbar haben. Die Wertpapiere werden für jeden Investor interessant, der auf Kursgewinne setzt.

Die Zertifikate werden daher Käufer auch in der Vermögensverwaltung finden: Fonds werden sich CO2-Zertifikate ins Portfolio legen, und Firmen werden die Papiere für Sicherungsgeschäfte nutzen. Kurz: Alle Arten von Finanzprodukten sind denkbar und zumindest für institutionelle Anleger auch wahrscheinlich. Offen ist noch, ob auch Privatbürger eines Tages ihr Geld in Emissionsrechten anlegen werden wie heute in Aktien.

Wichtig für einen verlässlichen und damit auch in ökologischer Hinsicht effizienten Markt ist die Implementierung leistungsfähiger Handelsplattformen. Derzeit wird in den europäischen Ländern der Kohlendioxidhandel noch komplett außerbörslich abgewickelt, doch überall sitzen die Börsen bereits in den Startlöchern. Der international erste Börsenhandel mit Klimagasen wurde unterdessen im vergangenen Dezember in den USA an der Chicago Climate Exchange aufgenommen – ironischerweise in jenem Staat also, dessen Regierung Hauptgegner des Kioto-Protokolls für Klimaschutz ist.

Auch in Deutschland haben die Börsen das Thema längst im Blick – hier ist es die Strombörse EEX in Leipzig, die sich gute Chancen ausrechnet, den Handel mit Emissionsrechten künftig abwickeln zu können. „Das passt thematisch gut zum Stromhandel“, sagt Stefan Nießen, Experte für Marktpolitik bei der EEX. Schließlich seien zwei Drittel der Inhaber von Emissionsrechten Energieversorger, und diese sind an der EEX bereits registriert. „Dadurch können wir die Transaktionskosten für die Unternehmen gering halten“, sagt Nießen. Eine Markterhebung der EEX soll in diesen Wochen ausloten, ob künftig in Deutschland Handelsvolumina absehbar sind, die ausreichen, um ein entsprechendes Börsensegment in Leipzig wirtschaftlich etablieren zu können.

Mit Spannung wartet die Wirtschaft unterdessen auf Signale, in welcher Höhe das Preisniveau der Kohlendioxidemissionen künftig liegen könnte und wie stark die Kursschwankungen – in der Finanzsprache als Volatilität bezeichnet – ausfallen werden. Im außerbörslichen Handel zeigten die Papiere zuletzt recht hohe Preisschwankungen, weil der Markt noch stark von politischen Faktoren abhängt. Sobald aber die politischen Rahmenbedingungen vollständig geklärt sind, werden sich die Preise stabilisieren. Die Volatilität der Zertifikate werde dann zwischen jener von Öl und Gold liegen, schätzen Experten. Und der Preis werde mit hoher Korrelation entgegengesetzt zum Öl verlaufen: Wenn das Öl teurer wird, werden die Emissionsrechte billiger.

Derzeit sind die Preissignale noch reichlich diffus. Der Hessen-Tender, ein Planspiel des hessischen Umweltministeriums in Kooperation mit einigen Unternehmen, hatte vor zwei Jahren einen Tonnenpreis für Kohlendioxid von 6,58 Euro ergeben. Außerbörslich wurde die Tonne in der EU Anfang dieses Jahres hingegen mit über 12 Euro gehandelt. Mit Vorlage der Nationalen Allokationspläne, in denen die Staaten die Zuteilung der Emissionsrechte regeln, sank der Preis aber auf rund 8 Euro. Aus diesen Ausschlägen Richtwerte für den künftigen Preis der Emissionszertifikate abzuleiten ist kaum möglich. „Das ist im Moment alles noch Kaffeesatzleserei“, sagt Rainer Sünnen, Klimaschutzexperte bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – was letztendlich nur wieder die These bestätigt: Ein Emissionszertifikat ist aus Sicht der Finanzmärkte ein ganz gewöhnliches Wertpapier.