: Der Mörder, der sich als Geistlicher ausgab
Zehn Jahre nach Ruandas Völkermord wurde Milizenführer Yusuf Munyakazi im Kongo gefasst – als Imam verkleidet
Yusuf Munyakazi gibt sich unschuldig. „Das ist alles falsch“, sagte der 69-jährige Ruander, als ihm am Mittwoch vor dem UN-Ruanda-Tribunal im tansanischen Arusha die Anklage wegen Völkermordes vorgelesen wurde. Munyakazi habe „die Tötung von Tutsi-Zivilisten in mehreren Kirchen in Cyangugu und Kibuye während des ruandischen Genozids geplant, eingeleitet, befohlen, daran teilgenommen und auf andere Weise geholfen und unterstützt“.
Der 1935 geborene Munyakazi hat von allen 68 Häftlingen des UN-Tribunals die wohl schillerndste Geschichte hinter sich. Während des Völkermordes an über 800.000 Menschen in Ruanda 1994 kommandierte er in Bugarama in Ruandas Südwestprovinz Cyangugu die berüchtigte Interahamwe-Miliz, ein Hauptinstrument des organisierten Tötens. Nach dem Völkermord floh er nach Zaire, hielt sich ab 1997 angeblich in Kongo-Brazzaville auf und ließ sich Ende 2000 wieder im mittlerweile in Demokratische Republik Kongo umbenannten Zaire nieder. Er lebte in der Region Tshikapa, einem von Schmugglern beherrschten Diamantenfördergebiet im Südwesten des Kongo an der Grenze zu Angola. Dort nannte er sich „Mzee Mandevu“ und gab sich als Imam aus, obwohl es dort keine Muslime gibt.
Als die USA 2002 eine Belohnung von 5 Millionen Dollar für die Ergreifung von 14 mutmaßlichen ruandischen Völkermordverantwortlichen im Kongo aussetzten, stand Munyakazi auf der Liste. Am 5. Mai wurde er 80 Kilometer südlich von Tshikapa von kongolesischen und US-Geheimdienstlern festgenommen, in ein UN-Flugzeug gesetzt und nach Arusha geflogen. Munyakazi war der zweite Verhaftete aus der Liste von 14 Gesuchten nach dem früheren Bürgermeister von Kigali, Tharcisse Renzaho, im September 2002. Die 12 anderen leben noch im Kongo.
Am 29. April 1994 hat Munyakazi die Ermordung von rund 4.000 Tutsi in Shangi bei Cyangugu befehligt. Das hat die Menschenrechtsorganisation „African Rights“ minutiös recherchiert. In Mbilizi war Munyakazi an der Ermordung von 8.000 Tutsi beteiligt. Und er war einer der Kommandeure der Milizen, die im Mai 1994 das größte Zentrum des Tutsi-Widerstandes im Westen Ruandas angriffen – das Hochplateau von Bisesero, wo sich 25.000 Tutsi verschanzt hatten und sich wochenlang gegen die Hutu-Killer verteidigten.
Ursprünglich war Munyakazi im Rahmen des Cyangugu-Gruppenprozesses angeklagt, bei dem die Völkermordverantwortlichen aus dieser Region gemeinsam vor Gericht standen. Munyakazi wurde aber aus dieser Anklage herausgenommen, weil er noch flüchtig war. Der Gruppenprozess endete im Februar mit einem Urteil und zwei Freisprüchen. Munyakazi kommt nun separat vor Gericht. Das heißt, dass die beim Cyangugu-Gruppenprozess nicht abschließend geklärte Frage, wer genau in dieser Region welche Kompetenzen hatte, nun erneut behandelt werden muss. DOMINIC JOHNSON