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Archiv-Artikel

Ein unbeschriebenes Blatt in Liberias Busch

Sekou Conneh führt die Rebellen, die Liberias Präsidenten Charles Taylor stürzen wollen

Eine politische Erneuerung stellt Sekou Conneh für Liberia nicht dar. Der Führer der größten liberianischen Rebellenbewegung Lurd (Vereinigte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) verdankt seine Prominenz einzig seinen engen Beziehungen zur Regierung von Guinea, militärischer Hauptverbündeter der Rebellen. Das hindert ihn nicht daran, jetzt gute Aussichten auf die Nachfolge des bedrängten liberianischen Präsidenten Charles Taylor zu haben.

Der ehemalige Gebrauchtwarenhändler aus Monrovia, bereits einmal in Liberia inhaftiert, floh in den 90er-Jahren nach Guinea und heiratete dort die Adoptivtochter des Präsidenten, Aysesha. Für Guineas Staatschef Lansana Conté war Aysesha in den späten 90er-Jahren eine spirituelle Instanz, weil sie angeblich 1996 einen beinahe erfolgreichen Putschversuch gegen ihn vorhergesagt hatte. Die Heirat eines Liberianers mit Guineas mächtigster Frau bot liberianischen Exilanten in Guinea und Sierra Leone, die seit dem Wahlsieg Charles Taylors in Liberia 1997 auf den bewaffneten Kampf sannen, die perfekte Basis für eine solide persönlich-politische Allianz. Sie machten das unbeschriebene Blatt Conneh zu ihrem Führer, gründeten die Lurd und erhielten umfangreiche militärische und finanzielle Hilfe von Guineas Armee, mit der sie 2000 ihren Krieg gegen Liberias Regierung begann.

„Wir kämpfen für Frieden und Demokratie“, sagte Conneh der taz im Mai 2002 in seinem damaligen Hauptquartier im nordliberianischen Voinjama. „Taylor muss weg. Das Taylor-Regime ist ein terroristisches Regime.“

Seitdem allerdings hat Conneh erhebliche Probleme in seiner eigenen Bewegung bekommen. Er gilt weder als herausragender Militärstratege noch als kluger Politiker. Solche Qualitäten reklamieren andere Lurd-Führer, zum Beispiel Militärkommandant Joe Wylie und Connehs Vize Chayee Doe, jüngerer Bruder des 1990 ermordeten liberianischen Präsidenten Samuel Doe. Beide sind inzwischen mit Conneh zerstritten. Nach einem Bericht der US-Forschungsgruppe „Internationale Crisis Group“ misstraut Conneh grundsätzlich seinen Rivalen, die er als von den USA unterstützte „Politiker“ und „Intellektuelle“ beschimpft. Er selbst hat eigene geschäftliche Verbindungen nach Frankreich. Aber Versuche aus den eigenen Reihen, ihn abzusägen, hat Conneh mit seiner militärischen Übermacht immer abwehren können. Der Lurd-Führer verbringt inzwischen viel Zeit im Ausland und sperrt seine internen Kritiker gerne in Guinea ins Gefängnis.

Conneh gehört zum durch halb Westafrika verstreuten Mandingo-Volk, aus dem auch andere regionale Warlords stammen. In Liberia gibt es alte Rivalitäten zwischen den Mandingo, die zu Beginn des liberianischen Bürgerkrieges eher Taylor zuneigten, und anderen Völkern wie den Krahn des 1990 ermordeten Doe. Diese ethnische Spaltung ist jetzt auch innerhalb der neuen Rebellion virulent und macht es schwer, vorherzusagen, in welche Richtung sich Lurd politisch entwickeln wird. Das nahezu komplette Schweigen Connehs zu seinen eigenen Plänen macht das nicht einfacher.

Viele liberianische Exilanten schließen aus, dass dieser Rebellenchef jemals das höchste Staatsamt bekleiden wird. Über Charles Taylor hatten sie das allerdings vorher auch gesagt.

DOMINIC JOHNSON