ISRAEL: ES MACHT KEINEN SPASS, SCHARON ZU UNTERSTÜTZEN
: Friedensdemo für den Gegner

Ariel Scharon konnte zufrieden sein. 150.000 Israelis, die ohne Zweifel zum gegnerischen politischen Lager gehören, versammelten sich, um ihm den Rücken zu stärken. Zwar nicht ohne Kritik und Abstriche, aber doch einmal, um einen politischen Plan, der aus seiner Feder stammt, zu unterstützen. Wie oft war es umgekehrt! Für den „Schlächter von Sabra und Schatila“, der die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern in Beirut zu verantworten hat, auf die Straße zu gehen, musste die linken Demonstranten einige Kraft gekostet haben. So war von der sonst üblichen Euphorie, wann immer das Friedenslager in Massen zusammenkommt, diesmal nichts zu merken. Der Mangel an Alternativen war es, der die Leute jetzt antrieb.

Die israelische Linke hat keinen Plan, keine klare Botschaft. Die letzten Parlamentarier der Arbeitspartei hoffen noch immer auf Posten in einer Koalition mit Scharon, vorausgesetzt, er treibt den Friedensprozess tatsächlich voran. Was er, wenn überhaupt, seinen eigenen Bedingungen entsprechend tun wird, also vorläufig ohne Verhandlungen mit den Palästinensern. Ein bilaterales Abkommen ist es aber, worauf die allermeisten Demonstranten noch immer hoffen.

Doch solange die Fatah, die Partei von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, ihre milianten Al-Aksa-Brigaden nicht auflöst – was in den eigenen Reihen wiederholt gefordert wurde und immer wieder am Veto Arafats scheiterte –, sind Verhandlungen illusorisch. Zu oft wurden Termine auf höchster Regierungsebene angesetzt, die nur deshalb nicht stattfanden, weil die Brigaden gerade rechtzeitig wieder eine Bombe explodieren ließen.

Dass die linken Demonstranten Scharon gerade jetzt den Rücken stärken, ist sinnvoll. Für die bevorstehenden Regierungsdebatten über die Aufgabe des Gaza-Streifens braucht er jedes Argument. Die Erfahrung mit dem einseitigen Rückzug aus dem Südlibanon lehrt, dass die israelische Öffentlichkeit sehr wohl in der Lage ist, Politik mitzubestimmen. Bleibt zu hoffen, dass das Erwachen des Friedenslagers diesmal von Dauer ist und wenigstens so lange anhält, bis der Abzug, auch wenn er unilateral vorgenommen wird, beschlossene Sache ist. SUSANNE KNAUL