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Archiv-Artikel

Teststrecke Bremen

Zur gefühlten Durchschnittlichkeit der Hansestadt haben Marktforscher nun entsprechende Daten gefügt: Bremen könnte Dank seiner Mittelmäßigkeit zum Testmarkt für neue Produkte werden

Das pfälzische Haßloch ist schon seit 20 Jahren Teststadt der Republik

taz ■ Versuche, Bremen zu beschreiben, hat es schon viele gegeben. Im Ausland ist Bremen die Heimat der Stadtmusikanten. Fluggäste erfahren bei ihrer Ankunft am Flughafen, dass sie in der „Stadt der Luft- und Raumfahrttechnik“ gelandet sind. Und seit dem Schlachte-Ausbau ist Bremen auch noch „Stadt am Fluss“. Nun aber kommt ein neues Prädikat hinzu: Bremen ist erwiesenermaßen die deutsche Durchschnitts-Stadt.

Marktforscher haben die Bevölkerungsstruktur der Hansestadt mit der Deutschlands verglichen – und dabei herausgefunden, dass Alter, Geschlecht und Bildungsstand der Bremer dem deutschen Durchschnitt ziemlich nahe kommen. Unternehmer sollen daher ihre Produkte oder Kampagnen erst hier testen, bevor sie in ganz Deutschland eingeführt werden.

„Bonsai Deutschland“ nennen das die beteiligten Firmen Zigma und das Marktforschungsinstitut Emnid. Sven Buchholz von Zigma nimmt es philosophisch: „Bremen ist das Abbild des Großen im Kleinen, genau wie der Bonsai-Baum.“ Das Motto: Wer Bremen kann – kann Deutschland.

Also wird Bremen das neue Haßloch? Die 22.000 Einwohner große Gemeinde in der Pfalz dient der Republik nämlich schon seit 1985 als Testmarkt. „Wir haben kleine Plastikkärtchen, die wir bei jedem Einkauf vorzeigen“, sagt der Haßlocher Wirtschaftsdezernent Wolfgang Schulte. Damit werde ermittelt, wie ein neues Produkt bei den Konsumenten ankommt.

Auch wenn Haßloch wohl weiterhin Test-Stadt bleibt: Emnid-Mann Carsten Theisen glaubt, dass die Möglichkeiten in Bremen noch darüber hinausgehen: „Die Stadt hat eine eigene Medienlandschaft und eine eigene Landesregierung, das bietet ganz andere Möglichkeiten.“ So wollen die Marktforscher zum Beispiel den richtigen „Medienmix“ für Werbekampagnen ermitteln. „Wir können schauen, welche Anteile von Fernseh-, Kino-, Print- oder Radiowerbung für ein Produkt ideal sind“, sagt Theisen.

Außerdem könnten touristische Kampagnen am Beispiel Bremens erprobt werden. „Wenn der Staat Zypern wissen möchte, wie er am besten Gäste wirbt, kann er das in Bremen testen.“ Weil Bremen gleichzeitig ein Bundesland ist, wären laut Theisen auch Testläufe für Gesetzesänderungen denkbar: „Wir könnten Regelungen wie die neuen Ladenöffnungszeiten zunächst in Bremen einführen.“

In Haßloch sieht man die Rolle als Innovationsstandort mittlerweile übrigens sehr gelassen. Wirtschaftsfachmann Schulte: „Das merken wir doch gar nicht, wenn bei uns im Supermarkt ein Joghurt steht, den es in Frankfurt noch nicht gibt.“

Steffen Hudemann