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Archiv-Artikel

Weniger Geld, mehr Freizeit

Senat und Gewerkschaften einigen sich auf neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Kündigungen bis Ende 2009 ausgeschlossen. Dafür bis zu zwölf Prozent weniger Bruttogehalt

von RICHARD ROTHER

Das Ende einer unendlichen Geschichte: Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich Senat und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes gestern auf einen neuen Tarifvertrag, der die ungewöhnlich lange Laufzeit bis Ende 2009 hat. Demnach verzichten die rund 100.000 Arbeiter und Angestellten des Landes auf bis zu zwölf Prozent ihrer Bruttobezüge und arbeiten dafür weniger. Im Gegenzug schließt der Senat betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2009 aus. Auch die Beamten, über die nicht verhandelt wurde, sollen künftig weniger Geld bekommen – durch Kürzungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Beides wurde für Arbeiter und Angestellte nicht angetastet.

Der Regierende Bügermeister Klaus Wowereit (SPD) bezeichnete die Tarifeinigung als „fairen Kompromiss“, der einen Meilenstein auf dem Weg der Haushaltskonsolidierung darstelle. Der Kompromiss bedeute eine Belastung für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, schließe aber betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2009 aus. Zwar verfehle der rot-rote Senat sein jährliches Einsparziel von rund 200 Millionen Euro bei den Arbeitern und Angestellten um gut 30 Millionen Euro, dafür habe er aber über einen längeren Zeitraum Planungssicherheit.

Auch der Bundesvorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, der sich in die Berliner Tarifverhandlungen eingeschaltet hatte, begrüßte den gestern gefundenen Kompromiss. Der Abschluss sei ein Erfolg für die Beschäftigten und Gewerkschaften in Berlin und trage der Haushaltsnotlage des Landes Rechnung. Die Einbußen bei den Bruttobezügen würden sich netto weniger deutlich auswirken. Ein Angestellter mit 2.000 Euro brutto müsse auf etwa vier Prozent Nettogehalt verzichten, dafür aber acht Prozent weniger arbeiten. Zudem sehe der Abschluss die Rückkehr zu den in Potsdam vereinbarten bundesweiten Tarifabschlüssen vor. Nach 2009 werde der Tausch Geld gegen Freizeit automatisch rückgängig gemacht, so Bsirske. Ein Erfolg sei der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sowie die Zusage, neue Stellen für Lehrer, Erzieher und Auszubildende zu schaffen.

Das Tarifvertragswerk, das sich auf die Vorstellungen des Senats für die im Herbst gescheiterten Solidarpaktgespräche stützt, sieht ab 1. August Lohn- und Gehaltseinbußen von acht bis zwölf Prozent je nach Einstufung vor. Die unteren Gehaltsgruppen verzichten auf weniger, die oberen auf mehr Einkommen. Regulär gilt ab August eine Wochenarbeitszeit von 37 Stunden, Kita-Erzieher arbeiten jedoch 38 Wochenstunden. Diese Arbeitszeitverkürzung bedeutet zugleich eine Ost-West-Angleichung. Bisher arbeiten die Ostbeschäftigten mit 40 Stunden pro Woche 1,5 Stunden mehr als ihre Westkollegen. Zum Ausgleich erhalten die Beschäftigten in diesem Jahr einen und ab kommendem Jahr zwei freie Tage. Freie Tage, die den Beschäftigten darüber hinaus zustehen, werden individuell auf die Lebensarbeitszeit angerechnet. Das heißt: Geht ein Angestellter in fünf Jahren in Rente, kann er möglicherweise ein oder zwei Monate vorher aufhören zu arbeiten, da er noch freie Tage abbummeln muss. Wechselt er in die Privatwirtschaft, kann sein Lebensarbeitszeitkonto ausbezahlt werden.

Auch Beamte sollen verzichten: Da für sie die bundesweit erzielten Einkommenssteigerungen gelten, will ihnen der rot-rote Senat das Urlaubsgeld komplett streichen. Das Weihnachtsgeld soll pauschal auf 640 Euro gekürzt werden. Die Arbeitszeit wird von 42 auf 40 Stunden reduziert; die Pflichtstundenzahl für beamtete Lehrer ändert sich aber nicht. Sie erhalten stattdessen zusätzliche freie Tage.