KONGOS NEUE REGIERUNG BRAUCHT INTERNATIONALE UNTERSTÜTZUNG : Noch ist der Frieden virtuell
Es hatte einen merkwürdig irrealen Beigeschmack, wie Kongos Präsident Joseph Kabila am Montagabend eine neue Regierung für einen neuen wiedervereinigten Kongo ausrief. Denn nichts hatte sich wirklich geändert: Kein einziger der neuen Minister war im Amt, kein einziger Zollposten des zerrissenen Landes war aufgelöst, kein einziger Milizionär war aus dem Kriegsdienst ausgeschieden.
Dennoch hatte Kabilas Ankündigung historische Tragweite. Der jahrelange „innerkongolesische Dialog“ zwischen den Kriegsparteien mit all seinen verlogenen Versöhnungen, gescheiterten Vereinbarungen und zerschlagenen Hoffnungen scheint endlich unumkehrbar geworden zu sein. Die Tage bankrotter Rebellenregierungen in kongolesischen Provinzstädten sind gezählt; ihre Mitglieder ziehen in die Hauptstadt ein. Jetzt kehrt die Politik des Landes wieder in den Rahmen des kongolesischen Staates zurück. Kongos Ausflug in die Anarchie, der 1998 mit dem Zerfall von Laurent Kabilas Rebellenallianz und der ruandisch inspirierten Ausrufung einer Gegenregierung im Osten des Landes begonnen hatte, neigt sich dem Ende zu. Kein Politiker kann jetzt noch im Streit über irgendeine Subklausel eines Abkommens empört in den Busch ziehen und auf Verständnis hoffen.
Dennoch ist Euphorie verfrüht. Erst einmal müssen die ernannten Regierungsmitglieder ihre Ämter auch antreten. Aber in einem Land, wo erst vor zwei Jahren der Präsident von der eigenen Leibwache ermordet wurde, kann es lebensgefährlich sein, ohne ausreichenden Schutz in die Schaltzentren der Macht einzuziehen. Da es trotz der Friedensvereinbarungen noch keine neutrale kongolesische Armee gibt, müssen ausländische Truppen den Begleit- und Personenschutz der neuen Institutionen übernehmen. Dazu ist die derzeitige UN-Mission im Kongo nicht in der Lage, wie sich erst vor zwei Monaten im nordöstlichen Bunia erwies, als Blauhelme hilflos Massakern zusahen. Ein neues Mandat muss her, über das der Sicherheitsrat noch nicht befunden hat; und dann müssen handlungsfähige Truppen angeworben, finanziert und entsandt werden.
Es wird also Monate dauern, bevor auch nur diese eine Bedingung für die Arbeitsfähigkeit der neuen Regierung des Kongo hergestellt ist. Das sind kostbare Monate, in denen viel schief gehen kann – vor allem im Umgang der verfeindeten Milizen im Osten des Landes miteinander, die jeweils von unterschiedlichen Angehörigen der Allparteienregierung protegiert werden. Kongos neuer Frieden ist ein virtueller Frieden, seine neue Regierung ist eine virtuelle Regierung. Ein riskantes Spiel, für dessen Gelingen die internationale Gemeinschaft Mitverantwortung trägt. DOMINIC JOHNSON