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Archiv-Artikel

Bahn-Börsengang: Im Prinzip ja, aber …

Studie der Investmentbank Morgan Stanley hält den Staatskonzern zwar für börsenfähig, nicht aber in der jetzigen Form. Nach wie vor ist der Fernverkehr das Sorgenkind. Dividenden um 4 Prozent nur möglich, wenn der Staat für stabile Finanzen sorgt

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Ein Anteil an der Bahn gefällig? Würde jemand sein Geld in den schwerfälligen Konzern anlegen, der seine Kunden mit Verspätungen und undurchschaubaren Preisen nervt? Dessen Image genauso schlecht ist wie seine Bilanzen? Ist die Deutsche Bahn reif für die Börse?

Das hat die Investmentbank Morgan Stanley für die Bundesregierung untersucht. Gestern hat Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) das streng vertrauliche, 1.500 Seiten dicke Gutachten nun offiziell einem kleinen Kreis von Parlamentariern vorgestellt. Schon am Freitag waren erste Ergebnisse bekannt geworden. Fazit: Ja, die Bahn ist börsenfähig – aber nicht in der jetzigen Form. Die Regierung muss mehr Geld geben, der Konzern noch effektiver wirtschaften.

Lufthansa, Post und Telekom – diese drei Staatskonzerne sind schon an der Börse. Sie sind bereits kapitalmarktfähig– wie Manager, Banker und Börsianer sagen. Wird das die Bahn jemals sein? Wann? Und mit welchen Mitteln? Das sind die Fragen, die die Investmentbanker beantworten sollten. Dazu haben sie 60 der größten Investoren weltweit befragt. Für eine „echte Wachstumsstory“ halten alle die Bahn nicht, hieß es gestern. Aber für eine „Restrukturierungsstory“: Die Bahn braucht enorme Investitionen, geht mit ihrem Kapital zunehmend „effizient“ um.

Morgan Stanley bestätigt, was Bahnchef Hartmut Mehdorn erst kürzlich erklärte: Seit 2003 schreibe die Bahn bessere Zahlen, vor allem Dank des Regionalverkehrs. Der Intercity-Express bringe die Bahn aber auf keinen Fall an die Börse. Der Fernverkehr ist nach wie vor das Sorgenkind der deutschen Bahn AG – auch wenn er laut Planung noch in diesem Jahr aus dem defizitären Bereich herauskommen soll.

Was potenzielle Anleger besonders interessiert: Könnte die Bahn künftig Dividenden um 4 bis 5 Prozent auszahlen? Nur wenn der Staat für stabile Finanzen sorgt, so die Studie. Von der Regierung fordern die Autoren deshalb, mindestens bis 2015 Gelder in Milliardenhöhe zuzusagen, etwa für die Sanierung und den Neubau von Gleisen. Der Grund, warum Investoren die Investitionen in die Schiene für wichtig halten, liegt in Großbritannien. Dort wurde das Netz vor Jahren privatisiert und gammelte dann vor sich hin.

Die Regierung soll aber auch klarstellen, ob die Regionalisierungsmittel, die der Bund an die Länder für den Nahverkehr zahlt, erhalten bleiben. Bisher gibt es nur eine Vereinbarung bis 2008. Die Bahn wiederum ist aufgefordert, einen Netzzustandsbericht zu liefern und eine plausible Mittelfristplanung vorzulegen. Nur dann – so Morgan Stanley – sei ein Börsengang noch 2006 passend zur Bundestagswahl denkbar. Erst im Herbst 2005 soll darüber entschieden werden.

Das Verkehrsministerium hat der Bahn bisher nur 2,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Gleissanierung zugesichert, verlautete gestern. Zudem wird es mit 750 Millionen Euro Neubauten fördern. 660 Millionen Euro aus zinslosen Darlehen, die die Bahn jetzt zurückzahlen müsste, werden bis 2008 gestundet.

Bei einem Börsengang bliebe der Bund Mehrheitseigner. Verkauft werden sollen nur 49,1 Prozent. Seit Oktober beschäftigt sich damit eine Arbeitsgruppe der Bundesregierung unter Leitung des Staatssekretärs im Verkehrsministerium, Ralf Nagel. Im Dezember sollte die Morgan Stanley Studie eigentlich vorgelegt werden. Da tobte aber gerade die Haushaltsdebatte, welche Staatsgelder die Bahn künftig erhält, war völlig unklar. Die Studie wurde nicht fertig. Am Mittwoch wird sich damit nun das Kabinett um Bundeskanzler Gerhard Schröder beschäftigen.

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