Konzerne unter Strom

Energieverbraucher gegen Energieproduzenten: Hamburgs Industrie streitet über billigen Strom. Aber gemeinsame Front mit Wirtschaftsbehörde gegen Rot-Grün

Wenn‘s ums Geld geht, kennen Hamburgs Industriekapitäne keine Freunde mehr. Die Bezugspreise für Strom sorgen für heftige Schläge in der Wirtschaft der Hansestadt. Schuld aber, so erklärten gestern der Industrieverband Hamburg (ivh), der Energiekonzern Vattenfall/HEW und die Wirtschaftsbehörde nach einem Spitzengespräch in einer gemeinsamen Erklärung, sei die rot-grüne Bundesregierung.

Die HEW, so der Vorwurf mehrerer großer Unternehmen der Hansestadt, wolle höhere Abnahmepreise durchsetzen. Das aber gefährde „die Wettbewerbsfähigkeit“ und folglich Arbeitsplätze und mithin den Standort Hamburg, lautet die Klage. In der Tat hatte die Hamburger Tochter des schwedischen Vattenfall-Konzerns etlichen Großbetrieben die Lieferverträge gekündigt und ihnen neue Verträge mit erhöhten Bezugspreisen angeboten.

Unannehmbar, empörten sich die Vorstände des Hamburger Aluminumwerks und anderer extrem energiefressender Unternehmen. Die hiesige Industrie, so ihre Forderung, müsse „langfristig zu international wettbewerbsfähigen Konditionen mit Strom versorgt werden“.

Und deshalb tauschten gestern Spitzenverteter des ivh, HEW-Chef Klaus Rauscher und Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) ihre „unterschiedlichen Positionen in konstruktiver Atmosphäre“ aus, so die offizielle Umschreibung einer lautstarken Debatte in Uldalls Konferenzsaal. Und einigten sich schließlich auf einen Dreistufenplan: Vattenfall prüft, ob die Industrie eine eigene Direktanbindung an das europäische Hochspannungsnetz erhalten kann. Dadurch würden die Abnehmer Netzgebühren in nicht bezifferter, vermutlich aber dreistelliger Millionenhöhe pro Jahr sparen. Zudem prüft der Konzern den Bau eines neuen Kraftwerks in der Hansestadt. Und Uldall wurde beauftragt, sich „auf Bundesebene“ für einen „grundlegenden Wandel in der Energiepolitik“ einzusetzen.

Denn es müsse, darüber wurde problemlos Einigkeit erzielt, endlich Schluss sein mit staatlichen Eingriffen wie der Ökosteuer oder dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit dem Wind- und Sonnenstrom gefördert werden. Energiepolitik, so die gemeinsame Ansicht, „sei nicht nur als Umweltpolitik zu begreifen, sondern auch als Industrie-, Wirtschafts- und Standortpolitik“.

Damit werde „moderne Energiepolitik als Wettbewerbsbremse verteufelt“, kommentiert die SPD-Umweltpolitikerin Monika Schaal. „Antworten von Ewiggestrigen auf Zukunftsfragen“ nennt es der GAL-Abgeordnete Jens Kerstan. Denn gerade die erneuerbaren Energien hätten „Deutschland zum Weltmarktführer in einer Zukunftsbranche gemacht“. Und Paul Schmidt, Sprecher des Hamburger BUND, hat einen Rat an die Industrie parat: „Wie wäre es mit Energie sparen?“. sven-michael veit