unterm strich
:

Der Mann hatte die Haare auf der Brust und nicht auf den Zähnen. Auch umgekehrt hätten sie sein Flötenspiel vermutlich kaum gestört. Nicht in den Fünfzigerjahren, als er Chet Baker oder Sarah Vaughan begleitete. Nicht in den Sechzigerjahren, als er mit Joao Gilberto und Antonio Carlos Jobim am Höhenflug des Bossa Nova arbeitete. Und auch nicht später, als er mit eigener Band so ziemlich alles zwischen Jazz, Pop, Soul, Funk, Disco, Esoterik und Schnulze in einen Topf rührte. Herbie Mann mochte jeden und konnte mit jedem – zuletzt flötete er 1996 sogar zu den elektronischen Soundloops von Stereolab. Diese Begeisterung für so ziemlich jeden Stil hat ihm einige Kritik eingebracht, das reichte vom Verrat am Jazz bis hin zu der Feststellung, dass ein älterer Herr nichts im Rock verloren habe. Ein wenig muss da selbst der Fan mit gut 25 Zentimetern Mann-Platten im Regal zustimmen: Auf „London Underground“, 1974 mit dem Ex-Rolling-Stone Mick Taylor an der Gitarre aufgenommen, klang der Mix aus Schweinsgalopp und Sunshine Reggae ziemlich furchtbar. Aber so ist das eben mit Ausnahmen.

Geboren wurde Mann 1930 als Herbert Jay Solomon im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Seinen ersten Ruhm holte er sich auf Sarah Vaughans „Lullabye of Birdland“, als er ihren wunderbar irrlichternden Scatgesang mit Flötentönen doppelte. Ähnlich leicht von der Hand gingen ihm auch die Aufnahmen der „Nirvana“-LP mit dem Bill Evans Trio, auf denen Mann über Eric Saties „Gymnopedie“ improvisiert, als wäre Musik nicht irgendein abstraktes Möbelstück, sondern ein riesiges rotes Plüschsofa. In dieser Umwidmung lag seine Stärke: Mann kannte sich mit afrokubanischem Bop aus und traf selbst in den Feedbackorgien eines Gitarristen wie Sonny Sharrock noch den Ton. Zum Beispiel auf dem legendären Album „Memphis Underground“, für das er 1969 mit Sharrock die Stax-Soul-Hymne „Hold on! I’m coming“ zerschredderte. Augenzwinkernd war auch seine Interpretation von Steely Dans „Do it again“, lässig das getrillerte „Satisfaction“. Vielleicht war Mann tatsächlich der weltgewandte Playboy, als der er sich gerne stilisierte. Am Mittwoch ist er mit 73 Jahren an Krebs gestorben.