: Kongos Außenpolitik bleibt Familiensache
In Kongos Allparteienregierung wird mit Antoine Ghonda der Bruder der Freundin des Präsidenten Außenminister
Er gilt als das höchstrangige unbeschriebene Blatt in der neuen Allparteienregierung der Demokratischen Republik Kongo, die von Präsident Joseph Kabila am 30. Juni verkündet wurde und die bei ihrer demnächst erwarteten formellen Einsetzung die Kriegsparteien des Landes zusammenführen und den geteilten Kongo wiedervereinigen soll: Außenminister Antoine Ghonda. Der wichtigste Minister aus den Rängen der nordkongolesischen Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) gehört jedoch nicht zu den bekannten Führern dieser Gruppe. Die Besonderheit des 38-Jährigen liegt vielmehr im privaten Bereich: Er ist der Bruder von Solange Ghonda, Sonderbotschafterin des UN-Kinderhilfswerks Unicef im Kongo, engagiert im Kampf für die Rechte von Straßenkindern und, wie es in Kinshasa heißt, eine „sehr gute Freundin“ – wenn nicht gar „die“ Freundin – des 32-jährigen Staatspräsidenten Kabila, dessen Intimleben ansonsten mit Argusaugen vom Geheimdienst vor der öffentlichen Neugier geschützt wird.
Dass der Bruder der Präsidentenfreundin Außenminister wird, während er zugleich für eine Rebellenbewegung arbeitet, die den Präsidenten jahrelang mit Waffengewalt stürzen wollte, ist typisch für die Winkelzüge des Kongokrieges, der oft auch eine Familienangelegenheit war. Schließlich ist der Führer der MLC-Rebellen, Jean-Pierre Bemba, Sohn eines einstigen Wirtschaftsministers von Kabila. Die Nominierung Ghondas als Außenminister wird in Kinshasa als Besiegelung einer neuen Familienallianz um Kabila herum gesehen – und damit als Mittel, politische Spannungen in der Allparteienregierung zu mindern. Hätte die MLC stattdessen ihren brillanten jungen Generalsekretär Olivier Kamitatu zum Außenminister gemacht, wie es vorher im Gespräch war, wäre automatisch Rivalität zwischen Außenminister und Staatschef entstanden – und außerdem hätte Kamitatu MLC-Führer Bemba, der als einer der vier Vizepräsidenten amtieren wird, in den Schatten gestellt. Kamitatu ist jetzt Parlamentspräsident, was viel innenpolitische Macht bringt, aber weniger äußere Sichtbarkeit.
„Ghonda genießt den guten Willen Kabilas“, bestätigt ein Freund Bembas. Die MLC bestreitet jedoch heftig, dass ihr Außenminister nur wegen seiner familiären Vorteile Außenminister wird und ansonsten eigentlich ein kleines Licht sei. Ghonda, dessen Familie aus der westkongolesischen Provinz Bandundu stammt, wurde 1965 in Belgien geboren und studierte internationale Beziehungen an der Internationalen Universität Florida in den USA. Ab 1994 arbeitete er bei der franko-kongolesischen Handelskammer und war kurz ihr Generalsekretär, bevor er hintereinander bei der belgisch-kongolesischen Handelskammer und der Handelskammer der USA arbeitete. Als Laurent Kabila 1997 im damaligen Zaire Diktator Mobutu stürzte, kehrte Ghonda in sein Heimatland zurück. Er schloss sich dem Verband Junger Kongolesischer Unternehmer an und arbeitete bei den privaten Sicherheitsfirmen Sozais und Eagle, bevor er beim Ausbruch des Kongokrieges 1998 in die USA zurückreiste und MLC-Sprecher in Washington wurde. 1999 wurde er verteidigungspolitischer Verantwortlicher der MLC-Rebellen und später außenpolitischer Berater Bembas, sodass er bereits Erfahrungen in der Außenpolitik sammeln konnte.
FRANÇOIS MISSER