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Archiv-Artikel

Jetzt entsteht eine EU-Einwanderungspolitik

Eigentlich hat sich die EU schon immer mit Einwanderungsfragen befasst. Denn die Staatsbürger eines Mitgliedstaates dürfen auch in jedem anderen EU-Staat arbeiten oder sich als Selbständige niederlassen.

Der oft befürchtete Ansturm von „Wanderarbeitnehmern“ aus ärmeren Mitgliedstaaten ist aber stets ausgeblieben. Der EU-Beitritt hat in der Regel eine so große Dynamik im Heimatland ausgelöst, dass es zu keiner Massenauswanderung kam. Insofern ist auch die siebenjährige Übergangsfrist, während der die Bürger der osteuropäischen Beitrittsstaaten vom deutschen Arbeitsmarkt fern gehalten werden können, vor allem ein psychologisches Zugeständnis an verunsicherte EU-Altbürger.

Für die Regelung für Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten kann die EU zwar bereits seit dem Amsterdamer Vertrag 1997 Richtlinien erlassen. Lange Zeit ging es dabei aber nur um defensive Maßnahmen, etwa um Visumspflichten, fälschungssichere Gestaltung von Visa und die Rückführung illegaler Einwanderer.

Erst in den letzten drei Jahren hat die EU-Kommission auch Vorschläge für eine positive Einwanderungspolitik vorgelegt. In einigen noch nicht verabschiedeten Entwürfen soll etwa der Zugang von Studenten zu EU-Hochschulen oder von Drittstaats-Arbeitnehmern zum EU-Arbeitsmarkt geregelt werden. Das Einstimmigkeitsprinzip hat hier bisher eine Einigung verhindert.

Bei zwei anderen Kommissions-Vorschlägen steht die formelle Verabschiedung allerdings kurz bevor. So hat sich der Rat im Juni politisch auf eine Richtlinie geeingt, die Ausländern einen festen Status verspricht, wenn sie sich fünf Jahre lang rechtmäßig in einem EU-Staat aufgehalten haben. Sie müssen dann in vielen Bereichen gleichbehandelt werden wie EU-Bürger, etwa beim Zugang zum Arbeitsmarkt, bei der Ausbildung oder der Anerkennung von Diplomen. Unter bestimmten Bedingungen können sie auch ihren Wohnsitz in ein anderes EU-Land verlagern und dort eine Arbeit aufnehmen.

Eine zweite Richtlinie, auf die sich der Rat bereits im Februar politisch einigte, regelt die Familienzusammenführung. Anders als von der EU-Kommission ursprünglich geplant, kann nur die Kernfamilie nachgeholt werden, praktisch hat aber auch dies große Bedeutung. Der Durchbruch wurde erzielt, als Deutschland erlaubt wurde, bei Kindern von hier lebenden Ausländern das maximale Nachzugsalter von 18 Jahren auf 12 Jahre abzusenken. CHRISTIAN RATH