: Grenze präzise eingehegt
Bundesgerichtshof kassiert allzu mildes Urteil zu einem tödlichen SM-Sexspiel: Erlaubt ist nicht alles, was gefällt
Der Fall wurde vor dem Kasseler Landgericht im Sinne des postmodernen „Okay ist, wenn die Beteiligten die Regeln vereinbart haben“ verhandelt. Angeklagt war ein Mann, der sich mit einer Frau zu sadomasochistischem Sex verabredet hatte. Die Frau begab sich in die von ihr gewählte Rolle, die der Gequälten; der Mann agierte als Sadist, als jener, der sie quält.
Sie allerdings gab zu erkennen, dass sie eine besondere Spielart gern hat, dass nämlich ihr Peiniger ihr ein Metallrohr intervallartig auf den Hals drückt. Er scheute davor zurück und wies sie auf die Gefahr hin, dass sie sich durch diese Stimulation lebensgefährlich, möglicherweise tödlich verletzen könne. Sie wiederum zerstreute seine Bedenken – und starb schließlich an den Folgen ihres Sexes. Medizinisch ausgedrückt: Die massive Kompression der Halsgefäße führte zum Herzstillstand nach unterbundener Sauerstoffzufuhr zum Gehirn.
Davon abgesehen, dass Strangulationen unter Connaisseurs des SM als Gipfel der Lust gelten, dass sie tatsächlich einen besonderen orgiastischen Kick versprechen, verhängten die nordhessischen Richter ein mildes Urteil: Einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten wollten sie nicht erkennen, sodass sie die Tat nur als fahrlässige Tötung werteten. Strafe: ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung. Der Angeklagte ging in Revision, ihm war das Urteil zu hart; die Staatsanwaltschaft war ebenfalls unzufrieden, sie empfand es als bagatellisierend.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil nun auf – und zwar aller Liberalität in der Bewertung sexueller Möglichkeiten zum Trotz, weil der Angeklagte sich keinesfalls auf die Wünsche der versehentlich Umgekommenen hätte einlassen dürfen. Da er es doch getan habe, selbst im guten Glauben, ihr den sexuellen Wunsch nicht abschlagen zu wollen, sei eine Verletzung der Grenze zur Sittenwidrigkeit festzustellen.
Ein kluger Spruch: Andernfalls müsste die Rechtsprechung zur (vermeintlich freiwilligen) Sterbehilfe geändert werden, oder gar zum Kannibalismus (wie jüngst). Das Leben gilt als heilig – mit ihm darf nicht gespielt werden, selbst auf Aufforderung nicht. Sadomasochistische Praxen finden an diesem Gebot ihre Grenze. Erlaubt ist eben nicht alles, was gefällt. Gut so! JAF
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