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Archiv-Artikel

Staatsgeheimnis und klobige Action

Der Fusions-„Tatort: Rosenholz“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg thematisiert deutsch-deutsche Erblasten. Die Geschichte um Stasi-Akten, CIA-Einmischung und die echte „Rosenholz“-Kartei scheitert aber am gewohnten Mittelmaß (So., 20.15 Uhr, ARD)

von CHRISTIAN BUSS

Bewegungsmelder, codegesichterte Türen, Videoüberwachung: Im Hochsicherheitstrakt der Birthler-Behörde lagern seit einiger Zeit Datenmassen, die zu Recht so angefasst werden, als handle es sich um ein mysteriöses Giftgas. Denn die so genannten „Rosenholz“-Akten besitzen eine Wirkungskraft, die nicht einzuschätzen ist: Es sind Stasi-Aufzeichungen, die 1989 vom CIA erbeutet wurden und erst jetzt ausgewertet werden dürfen.

Brisant ist das Material in zweifacher Hinsicht: Zum einen sind die Abschriften, die der US-Geheimdienst zur Verfügung gestellt hat, ungenau – zu verwertbaren Informationen gelangt man nur durch die aufwändige Abgleichung mit den Originalen. Missverständnisse sind möglich. Zum anderen führen die Spuren in den Westen, denn in den Papieren soll das gesamte Auslandsquellennetz der Stasi dokumentiert sein.

Bürokratie und Staatsgeheimnisse, Paranoia und Spionagemachenschaften bis in höchste politische Kreise – kann es einen ergiebigeren Stoff für einen Thriller geben? Und dann noch mit quasi deutsch-deutscher Problematik? Das haben sich auch die Verantwortlichen von SFB und ORB gedacht, die den realen „Rosenholz“-Fall publicityträchtig in den ersten Berliner Tatort einarbeiten ließen, der mit dem Logo des jungen Fusionssenders RBB läuft. Darin liegt eine große Symbolik, denn die Akten versinnbildlichen, welch ein unübersichtlicher Wust an Wiedervereinigungsaltlasten noch giftig vor sich hin dümpelt.

So kann man kann den Krimi als Reflexion auf die Fusion der beiden ARD-Anstalten SFB und ORB lesen, die derzeit vor sich hin rumpelt. Ein bisschen mehr Tiefenschärfe hätte jedoch nicht geschadet. Regisseur Peter Ristau und Autor Pim Richter spitzen das komplexe Thema auf eine Schuld-und-Sühne-Geschichte um eine Ost-Journalistin (Aglaia Szyszkowitz) zu, die mithilfe der „Rosenholz“-Daten jene Spitzel dingfest machen will, die einst ihre Eltern in den Tod getrieben haben. So werden die Spannungsmomente des Stasi-Bewältigungs-Dramas abgeschöpft, ohne die perfiden Implikationen aufzuschlüsseln.

Zwar erscheint einmal die Behördenchefin Birthler selbst im Bild, und natürlich ist auch ein junger, konservativer Funktionär mit FDJ-Vergangenheit in den Fall verwickelt – die großen soziopolitischen Verstrickungen bleiben indes ebenso außen vor wie der schwierige Vorgang der „Rosenholz“-Dechiffrierung selbst: Die Namen von über 200.000 Ost- und Westdeutschen sollen in den Akten enthalten sein. Werden sie korrekt ausgewertet, wird man ein Heer bislang unbekannter Stasi-Akteure enttarnen – falls nicht, sehen sich eine Menge Unschuldige angeklagt. Prima Stoff für einen Paranoia-Thriller.

Um ihn angemessen zu realisieren, hätte man allerdings eine Art Behördenkrimi drehen müssen. Mit vielen tippenden grauen Mäusen und schwafelnden Politikern. Das mag erst einmal unattraktiv klingen, doch gut inszeniert hätte auch dies erzählerischen Sog entwickeln können.

Statt auf komplizierte Verwaltungsarbeit wird nun allerdings auf klobige Action gesetzt. Was gerade beim Berliner „Tatort“ immer nach hinten losgeht. Dominic Raacke und Boris Aljinovic spielen als Ermittler zwar wie immer wacker gegen alle Ungereimtheiten an, doch letztendlich versinnbildlicht sich das Elend dieser Folge in einem von Raacke gespielten Running-Gag: Als Kripo-Hallodri muss er seine Steuererklärung fertig machen und trottelt deshalb mit einem Schuhkarton voll Quittungen durch die Untersuchungen in der Birthler-Behörde: Für bürokratisch-politische Zusammenhänge taugen die Berliner Ermittler eben nicht.