: Projekt: Zivilisierung der CDU
Die Homoehe ist eins der Erfolgsprojekte der rot-grünen Regierung. Seine Vollendung wird jedoch nur ohne die SPD gehen. Notwendig wäre ein schwarz-grünes Bündnis
Die Klage, formuliert vor einer Woche durch den grün-alternativen Politiker Farid Müller, ist nur zu berechtigt: Seit die rot-grüne Regierung vor knapp einem Jahr im Amt bestätigt wurde, gelingt es den grünen Koalitionären nicht mehr, die SPD (und deren Justizministerin Brigitte Zypries) davon zu überzeugen, das Gesetz zur Eingetragenen Partnerschaft zu präzisieren und für seinen zweiten Teil im Bundesrat um eine Mehrheit zu kämpfen. Die grüne Kritik, nicht nur des Hamburgers Müller, geht leider nicht so weit, den Sozialdemokraten eine gewisse Lustlosigkeit, ja Interesselosigkeit zur Frage der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften vorzuwerfen. Unabhängig davon, ob sich ein solcher Vorwurf geziemt, bleibt festzuhalten: Seitens der SPD ist keine Verve mehr zu verspüren, das Reformprojekt zu vollenden.
Zur Erinnerung: Die Grünen und die SPD stellten innerhalb von vier Jahren den deutschen Konsens zur Homofrage nicht nur in Frage, sie stellten ihn vielmehr auf den Kopf: Homosexuelle Partnerschaften seien gesetzlich ebenso zu schützen wie klassische Ehen von Heterosexuellen, wenn der Gesetzgeber dies wolle – und ebendies wollte er.
Allerdings musste das Reformwerk gesetzestechnisch gesplittetet werden: Unbehelligt von der unionsdominierten Länderkammer konnten Bestimmungen zur Lebenspartnerschaft an sich und zu Instituten ohne finanzielle Auswirkungen geregelt werden (eine gemeinsame Krankenversicherung z. B.). Wer sich verpartnert, muss für den/die PartnerIn aufkommen. Der zweite Teil des Gesetzes scheiterte am Bundesrat – also die Klärung der Ausgleichsleistungen, wenn zwei schon füreinander (auch finanzielle) Verantwortung eingehen. Weiterhin sind Lebenspartner von einer sich gegenseitig privilegierenden Erbschaftsregelung ausgeschlossen; auch steuerlich können die für den anderen/die andere übernommenen Pflichten nicht geltend gemacht werden.
Zum Schrecken der Union passierte das Gesetz als solches das Bundesverfassungsgericht vor anderthalb Jahren fast einmütig: Karlsruhe machte der deutschen Homophobie im legislativen Bereich souverän ein Ende. Was sich nun abzeichnet, ist ein Beharren der Grünen auf der Vollendung des Gesetzes – und ein Desinteresse der SPD, in dieser Frage ähnliche Händel und ähnlichen Handel mit der Union einzugehen wie in Sachen Gesundheitsreform: Wozu auch, lässt sich wohl sagen, denn die SPD hat zum Thema nichts mehr zu sagen – die Volkspartei hat nun nur noch, sagen wir: heterosexuelle Sorgen. Man war ohnehin nicht wirklich stolz auf das Gesetz. Und will es deshalb auch nicht, um die ausgesprochen lax sich engagierende Justizministerin zu zitieren.
Und das mag auch gut so sein: Denn das Projekt der Homoehe krankt ohnehin daran, dass die (momentan noch dominierenden) Milieus der Union mit ihm wenig anfangen können. Und zwar aus Mentalitätsgründen nicht, weil die Union (vor allem die CSU) sich wie eh und je auf das traditionelle Bild der Familie stützen möchte. Aber auch aus politischen Gründen, denn die Homoehe war Teil des rot-grünen Projekts und konnte aus diesem wichtigen Grund nicht Anliegen der Schwarzen sein.
Doch wäre es zwingend, dass die Legitimierung homosexueller Lebensstile (und Legalisierung der Partnerschaften von Schwulen und Lesben) auch in der Union popularisiert wird. Die Dialektik zur Konstruktion politischer Hegemonie funktioniert doch so: Erst ein Helmut Kohl konnte die sozialliberale Ostpolitik in seiner Partei durchsetzen; nur ein Gerhard Schröder kann das gewerkschaftliche Wahlvolk nötigen, einzusehen, dass der Sozialstaat einer Reform bedarf; und nur eine Rita Süssmuth hatte christdemokratisches Charisma genug, in ihrer Partei, wenn nicht die Idee des Feminismus zu popularisieren, so doch der Aversion gegen sie die Spitze zu nehmen. Ganz ohne einen entsprechenden Zeitgeist geht es zwar nicht: Der katholische Fundamentalismus in der Abtreibungsfrage wurde deshalb nicht zur Richtschnur bundesdeutscher Familienplanung und -gesetzgebung, weil die Gesellschaft ihm nicht folgte, zumal nicht nach 68. Aber die Kirche scheiterte eben auch an der strikten Weigerung von Unionspolitikern, wegen dieser Frage Familien in Not zu bringen.
Die Homobewegung wäre insofern gut beraten, in den nächsten zehn Jahren die Union massiv zu umwerben. Und zwar, wie es sich für eine Bürgerrechtsbewegung mit Lust auf Erfolg gehört, sehr zielgerichtet: Man muss der Parteichefin Angela Merkel wie ihrem Rivalen Roland Koch klar machen, dass sie gegen eine gegen sie mobilisierende Bewegung im Jahre 2006 nicht gewinnen können.
In Deutschland sind einfach keine Wahlen mit illiberalen Vorbehalten, ja öffentlich geäußerten Ressentiments gegen eine Minderheit wie die der Homosexuellen zu gewinnen. Eine Minderheit, die obendrein genau das will, was die Union so selig (wie ja auch verlogen) als Credo vor sich her trägt: die Idee der Familie um einen notwendigen Aspekt zu erweitern. Und zwar einer Familie, die mal Kinder hat (wie etwa der Sänger Patrick Lindner) oder keine (wie im Falle der Angela Merkel).
Die Union wird niemals der politischen Mitte attraktiv genug erscheinen, wenn sie weiterhin nur Biografien als gültig anerkennt, die heterosexuell verlaufen – oder peinsam berührt beschweigt, wenn sie denn anders als im Mann-Frau-Kind-Schema aufgehen. Es ist im Übrigen auch Aufgabe der Union, immerhin prägende Mitgestalterin der jungen Demokratie namens BRD, Homosexuelle vor religiös inspirierten Anfeindungen zu schützen – kommen sie aus der christlichen, vor allem der muslimischen Ecke – und auf diese Weise multikulturell sensibler und entschiedener zu werden.
Die Homobewegung muss sich um diese unionsdominierten Milieus kümmern – schon um die eigene Kundschaft zu motivieren. Viele Unionspolitiker sind schwul oder lesbisch – und dürfen es noch nicht öffentlich sein. Man sollte ihnen helfen, ebendiesen Kampf durchzustehen: IrgendeineR wird den/die Süssmuth geben müssen. Das alles trägt, nebenbei und eigentlich hauptsächlich, zur Zivilisierung der Bundesrepublik bei: Homohasser dürfen in der Union kein Forum mehr finden.
Bündnispartner gibt es allenthalben genug. Frankfurt am Main, Köln, Hamburg – das sind Metropolen, die nicht plötzlich CSD-frei wurden, weil sie unter christdemokratische Führung gerieten. Es wächst dort eine neue Generation von Unionspolitikern heran, die vor Grünen keine Angst hat, weil sie sich ihnen häufig ethisch nahe fühlt. Sie sind selbstverständlich mit Schwulen und Lesben aufgewachsen und wissen nicht, weshalb diese Diskriminierung verdienten.
Die Hoffnung auf die SPD war ja nicht nutzlos: Niemand hätte dieser Partei vor 30 Jahren zugetraut, dass sie im Bundestag für die Homoehe einstehen würde. Sie hat es getan. Ihre Zeit ist vorbei. Nun muss die Union befriedet werden. Das Projekt Schwarz-Grün hat auch in der Homofrage begonnen. JAN FEDDERSEN