: Kunst kommt erst nach Sex und alter Musik
Das Kölner Museum Ludwig zeigt ab heute Arbeiten des Comic-Künstlers Robert Crumb. Zu sehen sind Plattencover, Plakate und Originalhefte. Der US-amerikanische Zeichner traf seit Ende der Sechzigerjahre den Nerv einer aufkommenden Gegenkultur. Ob er Kunst macht, interessiert ihn herzlich wenig
Von Christian Meyer
Schwierig gestaltete sich zunächst die gestrige Pressekonferenz im Museum Ludwig zur Ausstellung des Comic-Künstlers Robert Crumb. Das angespannte Verhältnis zwischen Kunst- und Comic-Szene, das den ironischen Titel der Ausstellung, „Yeah, But is it Art?“, bereits transportiert, lag auch auf dem Gespräch zwischen den Pressevertretern, den Kuratoren und Crumb, einem der bedeutendsten Comic-Künstler unserer Zeit. Ihm widmet das Museum Ludwig vom 28. Mai bis zum 12. September eine umfassende Ausstellung. Völlig ignorierend, dass der Ausstellungstitel nicht zufällig als Frage formuliert ist und durch das lockere „yeah“ in ihrer Bedeutung noch relativiert wird, wollte man auf der Pressekonferenz also wissen, ob er denn nun Kunst mache und wie es sich anfühle, im Museum ausgestellt zu werden. Man erwartete wohl, dass sich hier jemand geehrt fühlt, in die hehren Hallen der hohen Kunst aufgenommen worden zu sein. Denn der museale Kunstbetrieb ignoriert nach wie vor gerne die Comic-Kultur.
Doch Crumb wehrt ab, er wisse nicht, ob seine Arbeit Kunst sei, und es interessiere ihn auch nicht. Vor allem aber betont er, dass er seine Zeichnungen nicht fürs Museum macht: „I work for print.“ Damit meint er neben Auftragsarbeiten vor allem Comic-Hefte. In der Comic-Szene ist man in der Regel wenig interessiert am snobistischen Kunstbetrieb und will lieber bleiben, was man ist: Popkultur.
Das war der inzwischen 61-jährige Robert Crumb immer. Sein kometenhafter Aufstieg in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in den USA der Hippie-Ära wäre anders nicht denkbar gewesen. Er hat den unabhängigen Undergroundcomic mit selbstkopierten, -gehefteten und -verteilten Comic-Heften (ab 1967 „Zap“, „Snatch“ u.a.) mitbegründet und der industriellen Massenproduktion eine unabhängige Produktion und Distribution entgegengesetzt. Das war auch nötig, denn Mitte der 50er Jahre gebar die restriktive Stimmung im Land nicht nur einen McCarthy, sondern auch den so genannten „Comic-Code“. Der beförderte Comic-Verlage mittels starker Restriktionen bezüglich vermeintlich jugendgefährdender Darstellungen in eine Dekade der Belanglosigkeit. Crumb, durch die autonome Produktion völlig unabhängig, konnte in seinen Heften unzensiert seiner Gesellschaftskritik und seiner schonungslosen Selbstkritik nachgehen. In paranoiden, drogengeschwängerten Fantasien und neurotischen, sexuellen Obsessionen verleiht er ihnen in scheinbar schnoddrigen, bei genauerer Betrachtung aber detailreichen Tusche-Zeichnungen explizit und provokant Ausdruck.
Damit traf er den Nerv der aufkommenden Gegenkultur und wurde zum Star der Bewegung. Doch auch dieser Art von Massenkultur, in die er nun gerutscht war, hat Crumb misstraut. Er machte sich über Merchandising-Produkte zu seinen zahlreichen Figuren lustig, distanzierte sich von den zwei „Fritz the Cat“-Filmen, die 1972 und 1974 nach der Vorlage seiner gleichnamigen Comicfigur gedreht wurden und tötete die degenerierte Katze 1972 in einer letzten Geschichte. Die ebenfalls zum Star avancierte Figur des verschlagenen Gurus „Mr. Natural“ schickte er kurzerhand in die Psychiatrie. Nach rechtlichen Streitereien folgte eine Schaffenspause, Anfang der 80er Jahre konnte er aber nicht nur Anschluss an eine neue Underground-Bewegung finden, sondern hat diese mit seiner Tätigkeit als Herausgeber des Magazins Weirdo stark protegiert.
Die nüchtern gestaltete Kölner Ausstellung dokumentiert das Schaffen des Künstlers mit zahlreichen Originalblättern, Plattencovern, Grußkarten, Plakaten und unzähligen Originalheften, von den späten 50er Jahren bis heute. Die aktuellsten Zeichnungen zeigen immer noch deutlich, was dem pessimistischen Crumb am meisten Freude bereitet: „Sex und alte Musik“, wie er zur Eröffnung offen zugibt. Kunst kommt bei ihm frühestens an dritter Stelle.
„Yeah, But is it Art?“, bis 12. September im Kölner Museum Ludwig; Öffnungszeiten: Di-Do: 10-18 Uhr, Fr: 11-18 Uhr, Sa/So: 10-18 Uhr sowie jeden 1. Freitag im Monat: 11-23 Uhr. Ein Katalog zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König