Der Kölner DGB-Chef befürchtet „Armutsinseln“

Damit die Stadt nicht in arme und reiche Veedel auseinander bricht, will sich Wolfgang Uellenberg-van Dawen stärker in die Stadtplanung einmischen. Verwaltung und Politik sollen den Bürgerwillen stärker berücksichtigen. Der Kölner Mieterverein unterstützt die Pläne des DGB

KÖLN taz ■ Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Chef des DGB Köln, hat eine Schreckensvision: Köln zerfällt in reiche und arme Stadtteile, die nichts mehr miteinander zu tun haben. Ansätze für diese Entwicklung sieht er schon jetzt, etwa in Kalk. Doch damit der „sozialen Trennung der Gesellschaft nicht auch noch die endgültige sozial-räumliche folgt“, will sich der lokale Gewerkschaftsbund künftig verstärkt auch um Stadtplanung und Wohnen in dieser Stadt kümmern.

An seiner Seite weiß Uellenberg den Mieterverein Köln. Auch dessen Vorsitzender, Heinz Soénius, will sich künftig mehr „in die Politik der Stadt einschalten“ und verstärkt auf soziale Bedürfnisse und sich ändernde Wohn- und Lebenswünsche von Mietern – „immerhin 80 Prozent der Kölner“ – eingehen. Ihr Bündnis verkündeten beide Organisationen am Mittwoch bei einer von ihnen organisierten öffentlichen Diskussion mit Warnfried Dettling. Der Publizist und ehemalige CDU-Planungschef sprach im Kolpinghaus über „menschengerechtes Wohnen im 21. Jahrhundert“.

Das sei, so Dettling, geprägt von Mobilität im Beruf, unplanbaren Lebensläufen, flexiblen Familienstrukturen und größerer Individualität. Dem müssten sich Städte in ihrem Wohnungsangebot anpassen, wenn sie attraktiv bleiben wollen. Doch dürften sie dabei nicht die Unterstützung der Schwächeren unserer Gesellschaft aus dem Auge lassen.

Diese Gefahr, dass eine „Armutsinsel“ entsteht, sieht Uellenberg aktuell in Kalk durch das neue „Arkaden“-Einkaufszentrums. „Wenn hier keine Brücken zwischen Alt und Neu geschlagen werden, bricht dieses von Arbeitslosigkeit und einem hohen Migrantenanteil geprägte Viertel zusammen“, warnt er. „Brücken“ könnten zum Beispiel Kindergärten sein. „Die geplanten teuren Wohnungen möbeln das Viertel auf, aber die bisherigen Bewohner werden dadurch vertrieben.“ Von der Stadt fordert er deshalb, gerade in solchen Problemvierteln in Kinder-, Jugend- und Bildungseinrichtungen zu investieren. Außerdem kann er sich vorstellen, dass – ähnlich den Städtepartnerschaften – reiche und arme Viertel zusammenarbeiten.

An die Stadt appelliert der DGB-Chef, über ihre Wohnungsbaugesellschaften auch Wohnungen zu fördern, die nicht dem traditionellen Familienbild entsprechen. So sollten sie leichter umzubauen sein, wenn etwa die Kinder ausziehen oder die Erwachsenen ein Arbeitszimmer brauchen, weil sie statt auswärts zu Hause arbeiten wollen. Die bisherige Förderung von Eigenheimen durch den Staat stellt er grundsätzlich in Frage.

„In Zukunft“, sagt Uellenberg, müssten die Bürger Kölns verstärkt in die Planungen zur Entwicklung der Stadt einbezogen werden. „In dieser Beziehung waren Politik und Verwaltung bislang leider sehr ignorant und haben – wenn überhaupt – immer nur auf einflussreiche Bürger gehört“, stellt er fest und verweist auf die Missachtung des Bürgerwillens etwa beim Bau des Niehler Müllofens oder der Kulturhauptstadt-Bewerbung. Weiter solle die Stadt das Wissen bestehender sozialer oder kultureller Netzwerke aufgreifen. Die Netzwerke fordert er auf, über den eigenen Tellerrand zu schauen und zu kooperieren.

Jürgen SCHÖn